Von Capex zu Opex

Die TREND-REPORT-Redaktion spricht mit Dr. Thomas Trautmann, Geschäftsführer und Partner von CYLAD Consulting, über Recurring-Revenue-Business­modelle für Anlagenbauer.

Herr Dr. Trautmann, vor welchen Herausforderungen steht heute Maschinenbauer im Kontext der digitalen Transformation?

Digitale Technologien tatsächlich zu überführen in kontinuierliche Effizienzsteigerung und fundamental veränderte Geschäftsmodelle. Auf der Ebene der Geschäftsmodelle werden die klassischen kapitalintensiven Investitionen in Maschinenparks zunehmend ersetzt durch Abo-Modelle wie sie schon lange aus der Konsumgüterindustrie etwa durch Netflix oder auch Sixt bekannt sind. Der Bedarf an permanent steigender Effizienz wird durch zwei Faktoren getrieben: Zum einen dem starken Wettbewerb unter anderem aus dem asiatischen Raum sowohl in den direkten Absatzmärkten der Maschinenbauer als auch in den Märkten der Maschinenbetreiber. Zum anderen dem steigenden Anspruch an Energieeffizienz, der nicht zuletzt durch die Klimadebatte mit angetrieben wird.

Welche Bedeutung haben in diesem Kontext „X-as-a-Service-Geschäftsmodelle“?

Sie sind eine Form von Geschäftsmodellen, die auf wiederkehrende Umsätze anstelle von Einmalinvestitionen abzielen. Statt als Produkt wird die Maschine als Service verkauft, analog zu der Softwarewelt, in der das Lizenzgeschäftsmodell zunehmend durch Cloud- und Abo-basierte Software-as-a-Service Modelle verdrängt wurde. Es gibt im Maschinen- und Anlagenbau sowohl Ergebnis- als auch Zeit-basierte XaaS-Geschäftsmodelle: Atlas Copco, Hersteller von Druckluftkompressoren, beispielsweise rechnet im AIRplan Abomodell nach verbrauchter Luft ab, statt die Kompressoren zu verkaufen. Jungheinrich wiederum bietet ein zeitbasiertes Langzeitmietmodell für Gabelstapler. Beide behalten die Verantwortung für die Verfügbarkeit.

„Maschinenparks werden zunehmend ersetzt durch Abomodelle.“

Dr. Thomas Trautmann.

Worauf kommt es bei der Umsetzung an?

Zunächst muss der Wechsel von CAPEX- zu OPEX-basiertem Geschäft für beide Seiten einen wirtschaftlichen Mehrwert haben. Der Anlagenbetreiber muss die Vorteile etwa in einer höheren Flexibilität, reduzierten Investitionskosten oder einem konkreten Leistungsversprechen sehen. Siemens beispielsweise garantiert vertraglich in seinem Building-Efficiency-as-a-Service Angebot quantifizierte Energieeinsparungen als Basis für die Höhe der Abrechnung. Dann stellt die Umsetzung eines solchen Geschäftsmodels traditionelle Spieler vor gewaltige Herausforderungen die neben technischen Fragen wie Cyber Security oder operativen Fragen wie der Skalierung der Backoffice-Prozesse, weit in die Unternehmenskultur von Entwicklung bis Vertrieb hineinreichen.

Warum ist das XaaS-Vertriebsmodell für Unternehmen eine Wunderwaffe im Hinblick auf die digitale Zukunft?

Aus Sicht der Eigentümer treiben datenbasierte wiederkehrende Umsätze den Unternehmenswert. Die Börse bewertet 1€ Umsatz mit Multiples von 5-10 für den Unternehmenswert im Vergleich zu Multiples von 1-2 bei klassischem Produkt- und Servicegeschäft. Treiber sind hier ein großes Wachstumspotenzial mit CAGRs von >25%, 3-7 mal höhere EBIT-Margen und letztlich stabilere und vorhersagbarere Umsätze. Grundsätzlich geht dies auch ohne Digitalisierung. Cloudtechnologie und das industrielle Internet of Things (IIoT) erweitern aber dramatisch die Möglichkeiten etwa durch Abrechnungsmodelle wie pay per part oder sensorbasierte Services wie Predictive Maintenance.

Welche Vorteile bringen Predictive-Maintenance–Lösungen im Hinblick auf das IIoT?

Die Servicewelt im Maschinenbau hat zwei wesentliche Transformationen erlebt: Zunächst haben traditionelle Maschinenbauer erkannt, dass Service nicht nur ein notwendiger Kostenblock, sondern ein attraktives Geschäftsmodell ist. Dann hat die Digitalisierung für diese Geschäftsmodelle die Möglichkeiten sowohl des Wertversprechens als auch der Abrechnungsmodelle radikal erweitert. Predictive-Maintenance-Lösungen sind hier ein beliebtes Beispiel: Der Maschinenbauer wertet remote Information wie Vibrationsmuster oder Spannungskurven aus und erkennt durch Abgleich mit einem Datenpool Anomalien. Der Austausch eines Ersatzteils kann so erfolgen noch bevor die Maschine ausfällt oder der Maschinenbetreiber etwas merkt. In Kombination mit OPEX- statt CAPEX-basierten Geschäftsmodellen kann die Verfügbarkeit so ein wesentliches Wertversprechen für XaaS-Angebote werden.

Welche Technologien können zum Einsatz kommen?

Zunächst muss die Maschine mit den relevanten Sensoren ausgestattet sein. Hier hat sich mit der Zeit ein gezieltes Vorgehen durchgesetzt gegenüber den teils verbreiteten Versuchen, einfach einmal alles zu messen und dann die Algorithmen etwas entdecken zu lassen. Dann müssen die Daten über das IIoT und entsprechende Algorithmen ausgewertet werden. Hier werden Edge-Technologien lokal beim Maschinenbetreiber und Cloud-Technologien remote beim Maschinenbauer unterschieden. In der Abwägung spielen auch Fragen wie Cyber-Security und Vertraulichkeit eine Rolle. Schließlich ist eine Skalierbarkeit der Backoffice- und Frontoffice-Prozesse des Maschinenbauers für ein profitables Geschäft essenziell. Das betrifft von der Vermarktung über die Bestellung und Leistungserbringung bis hin zur Abrechnung alle Geschäftsprozesse inklusive der zugrunde liegenden IT-Architektur wie etwa dem ERP und der Datenkontinuität zwischen Unternehmens-IT und Maschinen-OT.


„Cloudtechnologien und das industrielle Internet of Things erweitern dramatisch die Möglichkeiten durch Abrechnungsmodelle wie pay per part oder sensorbasierte Services wie Predictive Maintenance.“


In welchen Industriebranchen können XaaS-Vertriebsmodelle zum Einsatz kommen?

In praktisch allen – hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Was im B2C-Bereich von Netflix über Dropbox bis Sixt schon längst Standard ist, revolutioniert derzeit die Geschäftsmodelle in allen B2B-Bereichen: Philips bietet Light as a Service an und rechnet statt einer Investition in Beleuchtung je kWh Licht ab. Atlas Copco bietet das AIRplan Abomodell an und rechnet statt einer Investition in Druckluftkompressoren nach verbrauchter Luft ab. Einen besonders interessanten Weg geht TRUMPF: Um von dem Verkauf von metallschneidenden Maschinen als Investitionsgut zu einem pay-per-part-Modell zu wechseln wird als Investor Munich Re mit ins Boot geholt. So muss weder der Maschinenbetreiber noch der Maschinenbauer die Investitionskosten tragen und der Rückversicherer hat in Zeiten von Niedrigzinsen eine attraktive Investition.

Welche Vorteile haben heute Anlagenbetreiber von Maschinenparks, die sich für „X-as-a-Service“ oder „Equipment-as-a-Service“ entschieden haben?

Der Anlagenbetreiber erhöht seine Flexibilität, reduziert seine Investitionskosten und bekommt ein vertraglich gesichertes Leistungsversprechen. Kapazitäten und Laufzeiten werden von starren CAPEX-Entscheidungen zu flexiblen OPEX-Entscheidungen was sowohl für kleine Maschinenbetreiber als auch große Konzerne interessant sein kann. Markteintrittsbarrieren reduzieren sich etwa für große Maschinenbetreiber, die Ihr Wertschöpfungstiefe durch vertikale Integration ausdehnen oder Startups die für ihr neues Geschäft eine Anlage betreiben müssen. Energieeffizienz oder Uptime, beides wesentliche Parameter im Wettbewerb der Maschinenbetreiber, können durch Performance Contracting und Predictive Maintenance zusätzlich abgesichert werden.

Bitte beschreiben Sie den Cultural Change und die neue Unternehmenskultur, um die Entwicklung und den Vertrieb von XaaS-Modellen zu meistern?

Die Herausforderungen auf kultureller Ebene sind für traditionelle Hardware-orientierte Maschinenbauer enorm, weshalb neue Markteinsteiger, die von vornherein eine Cloud-basierte DNA haben auf der Ebene einen deutlichen Wettbewerbsvorteil mitbringen. In der Entwicklung von Hardware ist man wasserfallartige Entwicklungsprozesse mit ausdetaillierten Lasten- und Pflichtenheften sowie Qualifizierungsprozessen gewohnt. Software-lastige Entwicklung erarbeitet zunächst ein Minimum Viable Product mit nur den wesentlichen Kernfeatures und bindet sehr früh in kurzen Iterationen den Kunden ein nach dem Prinzip fail fast learn fast. Da die neuen Geschäftsmodelle ihren Markt erst erzeugen, ist der Vertrieb wiederum mit viel längeren Verkaufszeiten und einer größeren Stakeholderlandschaft konfrontiert die von der operativen Ebene bis zur Geschäftsführung reicht und häufig auch die IT-, Finanz- und Rechtsabteilungen der Kunden involviert.

Warum ist es für industrielle B2B-Player attraktiv, Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen zu entwickeln?

Aus Sicht der Eigentümer eines B2B Maschinenbauers treiben datenbasierte wiederkehrende Umsätze den Unternehmenswert. Die Börse bewertet 1€ Umsatz mit Multiples von 5-10 für den Unternehmenswert im Vergleich zu Multiples von 1-2 bei klassischem Produkt- und Servicegeschäft. Treiber sind hier ein großes Wachstumspotenzial mit CAGRs von >25%, 3-7 mal höhere EBIT-Margen und letztlich stabilere und vorhersagbarere Umsätze. Grundsätzlich geht dies auch ohne Digitalisierung. Cloudtechnologie und das industrielle Internet of Things (IIoT) erweitern aber dramatisch die Möglichkeiten etwa durch Abrechnungsmodelle wie pay per part oder Sensorbasierte Services wie Predictive Maintenance.

Was bedeutet „Geschäftsmodell mit wiederkehrenden Umsätzen“ im industriellen B2B?

Aus Sicht der Buchhaltung handelt es sich um einen Service, der endet, sobald der Umsatz endet. Der Kunde kann also die Maschine nicht weiter nutzen, wenn die Zahlungen enden, wie es etwa bei einem Handyvertrag der Fall wäre, wo das Handy nach Bezahlung der letzten Rate weiterverwendet werden kann. Aus Sicht des Unternehmers handelt es sich um deutlich planbarere langfristigere Umsätze im Vergleich zum deutlich volatileren Projektgeschäft. Die Steuerung eines Unternehmens ändert sich dafür fundamental. An Stelle von Order Intake treten Kennzahlen wie Assets under Contract, Annual Recurring Revenue oder Customer Churn Rate.

Was muss für die erfolgreiche Umsetzung von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Einnahmen beachtet werden?

Zunächst muss der Wechsel von CAPEX- zu OPEX-basiertem Geschäft für beide Seiten einen wirtschaftlichen Mehrwert haben. Der Anlagenbetreiber muss die Vorteile etwa in einer höheren Flexibilität, reduzierten Investitionskosten oder einem konkreten Leistungsversprechen sehen. Siemens beispielsweise garantiert vertraglich in seinem Building-Efficiency-as-a-Service Angebot quantifizierte Energieeinsparungen als Basis für die Höhe der Abrechnung. Dann stellt die Umsetzung eines solchen Geschäftsmodels traditionelle Spieler vor gewaltige Herausforderungen die neben technischen Fragen wie Cyber Security oder operativen Fragen wie der Skalierung der Backoffice-Prozesse, weit in die Unternehmenskultur von Entwicklung bis Vertrieb hineinreichen.


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