Nachhaltige Geldanlagen

Mit nachhaltigen Investments können die Klimaziele unterstützt werden. Doch es bleibt noch viel Potenzial, gerade in der Beratung.

Das Jahr 2018 war ein Jahrhundertsommer. „Konnte eben die ersten Bilder von Mitteleuropa und Deutschland bei Tag machen, nach mehreren Wochen von Nacht-überflügen. Schockierender Anblick. Alles vertrocknet und braun, was eigentlich grün sein sollte“, twitterte am 6. August Alexander Gerst von Bord der ISS. Temperaturrekorde und ausbleibender Regen ließen die Wiesen verdorren, Bäume warfen ihr vertrocknetes Laub ab oder fielen einem Waldbrand zum Opfer. Die Wassertemperatur in Flüssen und Seen erreichte teilweise mehr als 28 Grad, Fische und andere Lebewesen starben, Keime, Bakterien, Blaualgen breiteten sich aus. Die Pegelstände der Flüsse erschweren immer noch die Schifffahrt oder machen sie ganz unmöglich. Der Ausnahmesommer betraf dabei nicht nur Mitteleuropa, sondern die gesamte Nordhalbkugel. Die US National Oceanic and Atmospheric Administration hat seit Ende Juni weltweit mehr als 7 700 neue Rekordwerte registriert. Tokyo verzeichnete am 23. Juni mit 41 Grad einen Allzeitlandesrekord. In Quriat im Oman wurde mit 42,6 Grad der Allzeitweltrekord gebrochen – für eine Tiefsttemperatur bei Nacht.

Damit das Wetter nicht vollends aus dem Ruder läuft, einigten sich die 194 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen darauf, die globale Erwärmung bis 2100 auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Bei mehr als zwei Grad gilt es als zu wahrscheinlich, dass wichtige Bestandteile des globalen Klimasystems unveränderbar kippen, was zu extremen Ereignissen führen könnte. In diesem Kontext verpflichtete die EU sich, im Rahmen des Pariser Abkommens von 2015 ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren.

180 Mrd. Euro, so eine EU-Schätzung, müssen hierfür in den Klima- und Energiebereich investiert werden. Ohne eine wesentliche Neuausrichtung privater Kapitalströme eine kaum aufzubringende Summe. Die Änderungsvorschläge der Europäischen Kommission an den Richtlinien MiFID II für Banken bzw. IDD für Versicherungen sollen genau das bewerkstelligen und das Thema Nachhaltigkeit zum verpflichtenden Bestandteil des Beratungs­gesprächs machen. „Mehrere Studien belegen, dass die private Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten steigt, dieses Potenzial aber in der Beratung bislang nur unzureichend genutzt wird“, bemerkt Angela McClellan, Geschäfts­führerin des Forums Nachhaltige Geld­anlagen e. V. für Deutschland, Österreich und die Schweiz (FNG), in diesem Zusammenhang und erwartet jetzt „ein entsprechendes Marktwachstum sowie eine qualitativ bessere und bedürfnisorientierte Beratung“.

„Nachhaltige Investments boomen“, bestätigt auch Florian Hauer, Fondsmanager bei Kepler Fonds. „Allein zwischen 2012 und 2017 stieg das in Österreich veranlagte nachhaltige Volumen laut Marktbericht des FNG von 5 auf 15 Milliarden Euro. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über 20 Prozent.“ Die Erfolgsgeschichte grüner Investments erklärt er sich nicht nur damit, dass die Anlagen kompetitiv im Vergleich zu herkömmlichen Investments sind, sondern viele Anleger ihr Geld auch mit gutem Gefühl in nachhaltige Unternehmen stecken.

Einziges Problem, um mit gutem Gewissen Geld zu verdienen, fehlt es an einer einheitlichen Definition. Dau­erhaft, beständig, ununterbrochen, stabil, effektiv, erfolgreich und wirksam sind nur einige der unzähligen Synonyme für nachhaltig, sodass mit dem Begriff der „nachhaltigen Kapitalanlage“ oft nur ein Wachstumsversprechen, aber keine ökologische oder soziale Komponente verbunden ist.

Um für mehr Transparenz zu sorgen, arbeitet daher die EU im Rahmen ihres Aktionsplans an einem Label, welches vertrauenswürdige Anlagemöglichkeiten aufzeigen soll. Es soll nicht nur Ansporn für mehr Umwelt- und Klimaschutz sein, sondern auch durch schlechte Bewertungen die Anlagen entlarven, die mehr Schein als Sein sind. Das Label, dessen Einführung für 2019 geplant ist, fokussiert sich allerdings nur auf den Bereich grüner Geldanlagen und umfasst nicht alle drei ESG-Kriterien (engl. für Environment, Social, Governance). „Ein holistisches Nachhaltigkeitsverständnis umfasst jedoch neben der Umwelt auch soziale Aspekte, bspw. Kinderarbeit, und Aspekte der guten Unternehmensführung, bspw. Antikorruptionsmaßnahmen“, betont Angela McClellan. „Außerdem ist es wichtig, dass der Kunde auch zu seinen bevorzugten Anlagestrategien, bspw. Ausschluss von Waffen oder Kernkraft bzw. Best in Class, befragt wird.“

Gerade bei dem Begriff „Best in Class“ wird schnell deutlich, wie verworren der Markt ist und wie wichtig daher eine wirklich gute Beratung ist. Der Ölkonzern BP schaffte es durch geschicktes Marketing – aus „British Petroleum“ wurde „Beyond Petroleum“ – in diverse Best-in-Class-Listen. In „der Klasse der Ölkonzerne“ galt das Unternehmen als das nachhaltigste. Deep­water Horizon offenbarte dann schnell die Ungereimtheiten dieses Ansatzes.

Im Gegensatz dazu verspricht Jennifer Brockerhoff, Geschäftsführerin der Brockerhoff Finanzberatung, mehr Klarheit im Rahmen ihrer Beratung. Ihre Philosophie im Kontext nachhaltiger Investments bezeichnet sie auch als „echte“ Nachhaltigkeit, „mit dem Ziel einen Impact – also eine sichtbare Wirkung“ zu erzielen. Dabei orientiert sie sich an den 17 Zielen der Vereinten Nationen (UN SDGs), die auch direkt oder indirekt in der digitalen Vermögensverwaltung vividam berücksichtigt werden. „Wir investieren ausschließlich in aktive nachhaltige Fonds und nicht in passive ETFs“, ergänzt Frank Huttel, Prokurist und Leiter Portfoliomanagement der FiNet Asset Management AG, die Philosophie des Hybrid-Robo-Advisors.

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Fachgerechte Beratung scheint unerlässlich, doch bereits bestehende Siegel können zumindest eine erste Orientierungshilfe bieten. Auf Fondsebene belegen im deutschsprachigen Raum unter anderem das Eurosif-Transparenzlogo und das FNG-Siegel die Qualität nachhaltiger Fonds. In der Immobilienwirtschaft haben sich die Zertifizierungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) etabliert.

„Wir orientieren uns generell am DGNB-Standard, der in Europa zum höchsten Standard gehört und die Nachhaltigkeit einer Immobilie wie bekannt ganzheitlich bewertet“, bestätigt Stefan Keller, Geschäftsführer der UDI Beratungsgesellschaft mbH, die Bedeutung des Zertifikats. Bei seinem aktuellen Bauprojekt, dem Hansapark in Nürnberg, strebt er den Goldstandard nach DGNB an. „Mit dem Hansapark planen wir eine gewerb­liche Quartierslösung mit einem einzigartigen Energiekonzept und in nachhaltiger Bauweise“, erläutert er. Anleger erhalten für die Zwischenfinanzierung eine Verzinsung von vier Prozent. Ein Großteil der Fläche sei bereits vermietet, so Keller.

Groß geworden ist der Pionier grüner Investments mit Beteiligungen an Biogas- und Windkraftanlagen oder an Solarfarmen. Immerhin Letztere profitierten durch die Wetterauswüchse dieses Sommers ungemein. Dies belegende Zahlen liefert das Fraunhofer ISE: Im Mai wurde mit 6,45 Terawattstunden Solarstrom ein neuer Produktionsrekord aufgestellt, der aber nur bis zum Juni, 6,7 Terawattstunden, halten sollte. Den höchsten Fotovoltaik-Anteil an einem Tag markierte der 6. Mai mit 22,2 Prozent. „Ohne Solarenergie hätte es im Juli große Herausforderungen bei der Stromversorgung gegeben“, berichtet Bruno Burger, Leiter des Energie-Charts am Fraunhofer ISE, mit Blick auf die Produktion bei konventionellen Kraftwerken. Diese waren gezwungen, ihre Leistung zu reduzieren, um nicht noch mehr erhitztes Abwasser in die zu warm gewordenen Flüsse zu leiten.
Allein 305 Stunden schien die Sonne im Juli, damit war der Monat der zweitsonnigste Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1951 und markiert den Höhepunkt dieses „Jahrhundertsommers“, wobei der Begriff eine steigende Inflation erfährt. 2003, 2010, 2015 und jetzt 2018 wurden so betitelt, und folgt man der Meinung verschiedener Experten, werden auch in den nächsten Jahren immer wieder neue Rekorde gebrochen. „Die Rekorde häufen sich und die Anzahl der Tage mit tropischem Wetter in Deutsch­land nimmt konsequent zu“, unkt beispielsweise Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe und Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes. Eine Investition in eine eigene Fotovoltaik-Anlage wird somit zu einer zunehmend rentablen Option.

Schon von Januar bis Juni wurden deutschlandweit mit über 35 000 Anlagen fast 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum installiert. Dabei war weniger das Wetter als vielmehr der Anschaffungspreis entscheidend. Kostete eine einfache Fünf-Kilowatt-Anlage früher noch mehrere Zehntausend Euro, gibt es mittlerweile schon Angebote ab 5 000 Euro. „Eine ordentlich ausgeführ­te, nicht überteuerte Fotovoltaikanlage sollte 20 bis 30 Jahre lang halten und dabei eine Rendite im einstelligen Prozentbereich abwerfen – das ist deutlich mehr als auf dem Sparbuch“, schätzt Volker Quaschning, Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

Wenn man es schon nicht schafft, mit seiner Anschaffung den Klimawandel aufzuhalten, so kann man wenigstens daran mitverdienen – erst recht, wenn man langfristig denkt. „Neue Rekorde in dem Jahrzehnt ab 2040 werden, nicht nur an heutigen Standards gemessen, heiß sein: Um als Rekorde zu gelten, müssen sie vielmehr die Rekorde der 2020er- und 2030er-Jahre noch schlagen, die bereits heißer sein werden als alles, das wir bislang erlebt haben“, erklärt Dim Coumou vom Potsdam-Institut für Klimaforschung. „Und das ist nur der globale Durchschnitt – in einigen kontinentalen Regionen wird die Zunahme neuer Rekorde noch stärker ausfallen.“ Angesichts der Fortschritte der vielen Weltraumtourismus-Programme finden wir dann vielleicht dort oben eine Zuflucht – schockierender Anblick inklusive.

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Finanzinvestoren und Interessierte im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen finden eine umfangreiche Dokumentation und viele Hintergrundinformationen zu den Plänen der EU-Kommission, die Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zu stärken, unter https://www.forum-ng.org/de/eu-aktionsplan.html

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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