Mikroorganismen in der Landwirtschaft

Dies ist ein Gastbeitrag von Hendrik-Jan Boer

Stellen Sie sich vor, in der Landwirtschaft könnten weniger Pflanzenschutzmittel und Düngemittel verwendet werden, ohne an Produktivität einbüßen zu müssen. Bei NN Investment Partners investieren wir in Unternehmen, die den Wandel der Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigeren Zukunft vorantreiben.

Die Natur kann dabei helfen, dass in der Landwirtschaft immer weniger Pflanzenschutzmittel und Düngemittel notwendig sind. Bestimmte in der Natur vorkommende Mikroorganismen haben nachweislich positive Auswirkungen auf die Pflanzengesundheit. Diese Bodenmikroben, auch als Agrar-Mikroben (ag-microbials) bezeichnet, können die Pflanzengesundheit positiv beeinflussen, indem sie den Schädlingsbefall in Schach halten, die Verfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen oder auf eine andere, bisher noch unbekannte Weise positiv auf die Pflanze einwirken.

In den kommenden Jahren wird sich das Marktwachstum beschleunigen. Zurückzuführen ist dies auf die Sorgen der Verbraucher bezüglich chemischer Rückstände in ihren Lebensmitteln, strengere Umweltvorschriften, die Entwicklung von Resistenzen bei Schädlingen und das Regulierungsverfahren für Mikroorganismen, das viel einfacher und kostengünstiger ist als für Chemikalien.

Der Markt für Mikroorganismen ist mit rund 3,5 Mrd. USD zurzeit noch eher bescheiden, doch er wächst schnell und wird sich in der nahen Zukunft voraussichtlich mit einer jährlichen Wachstumsrate von 15 % entwickeln. Bis sich Mikroorganismen allgemein durchgesetzt haben, ist es noch ein langer Weg. Zurzeit werden sie nur für einen geringen Anteil der Gesamtanbaufläche eingesetzt. Landwirte müssen erst noch mit dem Phänomen vertraut und von den Vorteilen überzeugt werden, auch der Pull-Faktor der
Verbraucher ist noch gering.

Für die kommende Zeit erwarten wir jedoch eine höhere Marktpenetration. Etliche große Konzerne setzen in zunehmend sichtbarem Maße auf Mikroorganismen. Sie geben beträchtliche Summen für Forschung und Entwicklung für eine breitere Produktpalette und den Nachweis ihrer Wirksamkeit aus. Auch Verbraucher und Behörden unterstützen und fördern die Anwendung von Mikroorganismen in der Nahrungsmittelkette.

Was sind Mikroorganismen in der Landwirtschaft?

Agrar-Mikroben (ag-microbials) sind in der Natur vorkommende (nicht genetisch modifizierte) Mikroorganismen, die nachweislich positive Auswirkungen auf die Pflanzengesundheit haben. Durch ihr Wirken entstehen gesündere Kulturpflanzen und die Erträge werden gesteigert. Sie bieten Landwirten eine wirksame, spezifische und nachhaltigere Alternative zu Lösungen auf chemischer Grundlage. Agrar-Mikroben können die Pflanzengesundheit positiv beeinflussen, indem sie den Schädlingsbefall in Schach halten, die Verfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen oder das Pflanzenwachstum fördern.

Landwirten steht eine breite Palette an Hilfsmitteln zur Verfügung, sodass sie gesündere Kulturpflanzen mit höheren Erträgen anbauen können. Dazu gehören unter anderem Düngemittel, Saatgut (mit oder ohne Eigenschaften von gentechnisch modifizierten Organismen) und Pflanzenschutzpräparate, die die Kulturpflanzen vor gefährlichen Schädlingen schützen.

Mikroorganismen können Produkte sämtlicher dieser Kategorien teilweise oder vollständig ersetzen und darüber hinaus synergistisch mit der Pflanze wirken. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Markt für Mikroorganismen in drei Unterkategorien einteilen:

  • Biokontrolle – Mikroben zur Regulierung von Insekten, Krankheiten und Unkräutern. Sie treten in direkte Konkurrenz zu Pflanzenschutzpräparaten und stellen rund 80 % der Umsätze an Mikroorganismen-Produkten dar.
  • Biodüngung – Mikroben zur Verbesserung der Nährstoffversorgung von Kulturpflanzen. Sie treten in direkte Konkurrenz zu Düngemitteln und bilden mit einem Anteil von 15 % den zweitgrößten Markt für Mikroorganismen.
  • Biostimulation – Mikroben zum Stimulieren von Kulturpflanzen. Sie treten in Konkurrenz mit einer breiten Palette von Produkten und machen rund 5 % des Markts für Mikroorganismen aus.

Strategische UN-Entwicklungsziele

Mikroorganismen leisten einen Beitrag zu den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen. Dies gilt besonders in Bezug auf das Nachhaltigkeitsziel SDG 2: Zero Hunger durch die Verbesserung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion mithilfe von mehr Effizienz und größeren Ernten. Durch ein Plädoyer für weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel wird SDG 3 gefördert: Gesundheit und Wohlergehen.

Größte Hürden

Für die meisten dieser Mikroorganismen gilt, dass die erhöhte Wirksamkeit des biologischen Produkts im Vergleich zur Nichtnutzung dieses Produkts oder zu seiner chemischen Alternative nur schwer zu belegen ist. Die umfassenden und in vielen Jahren gesammelten, zuverlässigen Testdaten müssen für Landwirte verfügbar sein, wenn man diese dazu bewegen will, auf Mikroorganismen umzusteigen. Aufgrund der Vielzahl von Variablen, die den Erfolg einer Kultur beeinflussen (siehe Abbildung 1), ist die Landwirtschaft eine überaus komplexe Angelegenheit, und es braucht Zeit und Unmengen an Daten, um zu beweisen, dass ein Produkt verlässliche Vorteile gegenüber anderen Produkten liefert und/oder dass ein Produkt besser als andere am Markt angebotene Konkurrenzprodukte ist.

Was dem Markt für Mikroorganismen in großem Maße förderlich ist, ist das sichtbar gesteigerte Interesse der großen Agrarunternehmen in den letzten Jahren. Alle bedeutenden Hersteller von Pflanzenschutzpräparaten und Saatgut beschäftigen sich gegenwärtig mit Mikroorganismen für die Landwirtschaft. Ihre gemeinsamen Anstrengungen im Zusammenhang mit Forschung, Entwicklung und Vertrieb sollten neue Produkte, eine größere Marktpenetration und ein besseres Verständnis der Vorteile für Landwirte und Verbraucher zur Folge haben.

Marktchancen

Es wird erwartet, dass sich der Markt für Mikroorganismen in den nächsten fünf Jahren mit einer jährlichen Wachstumsrate von 15 % entwickeln wird, wobei das Wachstum anschließend voraussichtlich anhalten wird. Der Markt für Mikroorganismen steckt noch in den Kinderschuhen. Wie Abbildung 2 zeigt, ist die Penetration bei Sojabohnen und Hülsenfrüchten am weitesten fortgeschritten, da die positiven ertragssteigernden Effekte einer Impfung mit Rhizobium-Bakterien bereits seit langem bekannt sind. Sobald Unternehmen beginnen, andere Mikroorganismen in Bezug auf ihre Wirkung auf Ernteerträge zu testen, werden wahrscheinlich weitere positive Wechselwirkungen zwischen den Mikroben entdeckt, was eine vermehrte Verbreitung des Einsatzes von Agrar-Mikroben in anderen Kulturpflanzen nach sich ziehen wird.

Abbildung 2: Der Anteil der Gewächse, die mit Mikroorganismen behandelt werden, ist noch immer bescheiden

Mit Mikroorganismen lassen sich Einkünfte von rund 0,20 USD bis 2 USD pro ha erzielen. Auf derselben Ackerfläche können mehrere Produkte nebeneinander angewendet werden. Während sich bestimmte Mikroorganismen möglicherweise nicht mit anderen vertragen und deshalb zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgebracht werden, sind für andere Mikroorganismen keine Interaktionen bzw. sogar positive Interaktionen bekannt, die einander verstärken. Diese Produkte sind besonders zum „Stapeln“ geeignet oder für den Verkauf mehrerer Produkte zur gleichzeitigen Anwendung.

Wir sehen daher in Mikroorganismen ein signifikantes Potenzial. Ein erfolgreiches Mikroorganismen-Produkt für Mais könnte beispielsweise bei einem angenommenen Preis von 0,80 USD pro ha jährliche Verkaufserträge von 850 Mio. USD erzielen.

Wachstumstreiber

Zu den voraussichtlichen Treibern des Marktwachstums in den kommenden Jahren gehören auch die Sorgen der Verbraucher bezüglich chemischer Rückstände in ihren Lebensmitteln, strengere Umweltvorschriften, die Entwicklung von Resistenzen bei Schädlingen und das Regulierungsverfahren für Mikroorganismen, das viel einfacher und kostengünstiger ist als für Chemikalien. Es folgt eine Betrachtung dieser Faktoren.

Chemische Rückstände: Infolge der von Regulierungsbehörden festgelegten Grenzwerte von chemischen Rückständen, und sogar noch strengerer Grenzwerte, sind Agrar-Mikroben häufig notwendig, um den internationalen Lebensmittelhandel zu erleichtern. Manche Pflanzenschutzpräparate sind in einem Land zugelassen, in einem anderen jedoch nicht. Lebensmittel, die chemische Substanzen enthalten, die in einem bestimmten Land nicht zugelassen sind, dürfen dort nicht verkauft werden. Der zunehmende Druck von regierungsunabhängigen Organisationen und Verbrauchern hat einige Supermarktketten veranlasst, noch strengere Rückstandshöchstgehalte (MRL) für das von ihnen verkaufte Obst und Gemüse einzuführen. Die größten niederländischen und deutschen Supermarktketten haben MRL-Werte eingeführt, die unter den in den europäischen Richtlinien festgelegten Werten liegen. Einige Supermärkte haben MRL-Werte festgelegt, die lediglich ein Drittel des gesetzlichen Grenzwerts betragen.

Zunehmende Fokussierung auf die Umwelt: Verbraucher sind zunehmend besser informiert und ihre Besorgnis bezüglich chemischer Rückstände wächst. Umweltfreundliche
Chemikalien werden dadurch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Die Regulierungsbehörden ziehen immer mehr Pflanzenschutztechnologien aus dem Verkehr, die als zu
giftig für die Umwelt oder für die Verbraucher gelten. Dies macht Mikroorganismen zu einer attraktiven Alternative, da die Verbraucher sie positiver wahrnehmen als chemische Pflanzenschutzmittel.

Einfacheres Regulierungsverfahren: Um neue mikrobielle Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen, sind weniger Zeit und Geld erforderlich als bei konkurrierenden chemischen Produkten. Der typische Zeitrahmen für die Zulassung von biologischen Produkten beträgt drei bis vier Jahre, im Vergleich zu etwa zehn Jahren im Falle von chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Die Gesamtkosten für die Entwicklung und Registrierung eines biologischen Produkts belaufen sich auf rund 25 Mio. USD, während die Entwicklung und Registrierung eines herkömmlichen Pflanzenschutzmittels etwa zehnmal so viel kostet. Dies bedeutet, dass die Einführung neuer landwirtschaftlicher Produkte schneller und kostengünstiger erfolgen kann und dass die kurzfristigen Renditen höher sein dürften als bei herkömmlichen Pflanzenschutzpräparaten.

Größe des Absatzmarktes für Pflanzenmittel 2018 (Mrd. USD)

Längerfristig gesehen sind wir der Auffassung, dass Formulierungstechnologien und Markenbekanntheit ein entscheidender Aspekt des „economic moat“ bzw. des wirtschaftlichen Wallgrabens zum Schutz dieser höheren Renditen sein werden. Geringere Entwicklungskosten und kürzere Zulassungszeiten für Mikroorganismen dürften zu niedrigeren Eintrittsbarrieren führen als bei chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Entwicklung von Resistenzen gegenüber Chemikalien: Im endlosen Wettrüsten zwischen Mensch und Pflanzenschädlingen werden die Schädlinge irgendwann resistent gegen die meisten der von uns entwickelten Lösungen zu ihrer Bekämpfung. Ständig müssen neue Lösungen entwickelt werden, und Mikroorganismen bieten eine neue Wirkungsweise.

Ersatz bisheriger Produkte

Eine andere Möglichkeit, das Potenzial der Mikroorganismen zu bewerten, ist der Blick auf die Produkte, die sich teilweise oder ganz durch Mikroorganismen ersetzen ließen. Mikroorganismen treten in Konkurrenz zu Düngemitteln, Saatgut (Eigenschaften), Pflanzenschutzpräparaten und Produkten zur Saatgutbehandlung. Im günstigsten Fall könnte der gesamte erreichbare Markt (Total Addressable Market; TAM) für Mikroorganismen unserer Auffassung nach ein Volumen von weit über 250 Mrd. USD erreichen.

Das Wachstum im Düngemittelmarkt könnte geringer ausfallen, da viele der neuen Mikroorganismen-Produkte auf die Erhöhung der Nährstoffaufnahme abzielen und den Düngerverbrauch möglicherweise reduzieren.

Zwei neue Produkteinführungen konzentrieren sich auf die Reduzierung des Stickstoffverbrauchs und die Verbesserung der Phosphataufnahme. Wir erwarten, dass Mikroorganismen mit der Zeit Einfluss auf sämtliche Düngemittel haben werden. Die größten Risiken sehen wir in den kommenden Jahrzehnten auf Stickstoffdünger zukommen, bei denen jüngsten Untersuchungen zufolge die größte Chance besteht, dass sie in Zukunft vollständig ersetzt werden können. Auch Pflanzenschutzmittelhersteller (Herbizide, Fungizide, Insektizide, Nematizide) sind gefährdet, da viele der neuen Mikroorganismen-Produkte für ein Ende oder zumindest eine Reduzierung des Schädlingsdrucks sorgen sollen. Dadurch reduziert sich auch die Menge der Pflanzenschutzprodukte, die zur Erzielung guter Ernten eingesetzt werden müssen.

Den Trend ausnutzen

Tabelle 1: Geschätzter Umsatz der Marktführer an
Mikroorganismen-Produkten 2019

Im Markt von Mikroorganismen ist eine Reihe von Unternehmen aktiv. Der Markt entstand hauptsächlich durch kleinere Unternehmen, von denen einige akquiriert wurden. Zu den börsennotierten, im Bereich Mikroorganismen aktiven Unternehmen gehören unter anderem Novozymes, Bayer, BASF, UPL, FMC, Christian Hansen und Corteva. Der Anteil der Mikroorganismen-Produkte am Umsatz ist bei allen beteiligten Unternehmen noch relativ gering und bewegt sich in einer Bandbreite von gerade mal 1 % bis knapp 10 %. Die Umsatzschätzungen für einige der größeren Unternehmen in diesem Jahr sind in Tabelle 1 dargestellt.

Agrar-Mikroben können nicht patentiert werden. Allerdings sind spezielle Kenntnisse und Investitionen für das Testen der Mikrobenaktivität, die Skalierung der Mikrobenproduktion und für die Mikrobenformulierung erforderlich.

Erwartungen zufolge wird das Ergebnis vor Zinsen und Steuern in der Mikrobenindustrie sich auf etwa 20 bis 30 % des Umsatzes belaufen, sobald sich die Industrie etabliert hat und sich die Forschungs- und Entwicklungskosten auf einem normalen Niveau bewegen.

Diese Aussichten machen Mikroorganismen zu einem sehr attraktiven Markt für Unternehmen und ihre Gesellschafter.

Nahrungsmittel/Ernährung ist eines der Schwerpunktthemen von NN Investment Partners. Ein Vorteil unseres auf die Wertschöpfungskette ausgerichteten Investitionsansatzes für nachhaltige und wirkungsvolle Investitionen ist, dass unsere Analysten branchenübergreifend arbeiten. Wer Landwirtschaft sagt, der sagt auch Biologie, Chemie und Technik. Daher betrachten wir Technologien zur Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion von mehreren Perspektiven aus. Beispielsweise denken wir beim Thema Düngemittel nicht nur an Ressourcen, Abbau und Raffinierung, sondern wir berücksichtigen auch die Gesundheitsfolgen für Verbraucher und den allgemeinen Gesellschafts-/Umweltfußabdruck und die Effizienz dieser Verfahren. Wir sind der Überzeugung, dass wir damit die Investitionsentscheidungen und Allokationen verbessern.

Über den Autor:

Hendrik-Jan Boer ist Leiter des Bereichs nachhaltiger und wirkungsorientierter Aktienstrategien bei NN IP

Weitere Informationen unter:
www.nnip.de

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