Lebenslanges Lernen ist nur auf natürlichem Weg erfolgreich

Dies ist ein Gastbeitrag von Janet Haupka, Managing Director bei DONE!Berlin

Noch vor Jahren reichte eine Ausbildung, um seinen Beruf über 40 Jahre auszuüben. Diese Zeiten sind vorbei. Lebenslanges Lernen ist nicht mehr verhandelbar, sondern ein Muss für jeden geworden. Besonders der digitale Wandel wird Mitarbeitern in vielen Berufsfeldern – in der Bildung, im Marketing, im Finanz- oder Gesundheitswesen – völlig neue Qualifikationen und eine außerordentliche Lernbereitschaft abverlangen.

Zum einen sind hier Unternehmen gefordert, Weiterentwicklungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter zu fördern. Jedoch scheint die Corona-Pandemie dafür gesorgt zu haben, dass Weiterbildungsprogramme in vielen Firmen eingefroren wurden. Das bestätigt ein McKinsey Diskussionspapier vom Dezember 2020: Das Budget für Qualifizierungen sank bei 21 Prozent der Befragten; bei 49 Prozent stagniert es. Auch die KfW wies im April 2021 darauf hin, dass die betriebliche Weiterbildung bei 38 Prozent aller mittelständischen Unternehmen im letzten Jahr reduziert wurde. Und das sind nur zwei beispielhafte Studien, die die Realität in Unternehmen in Bezug auf Schulungsangebote widerspiegeln.

Aber gerade jetzt wird qualifiziertes Personal gebraucht. Nicht nur die Digitalisierung beeinträchtigt Jobs, sondern auch die Pandemie verändert viele Branchen. Weiterentwicklung kann von keinem Unternehmen ignoriert werden – auch nicht von stark wachsenden Firmen oder Marktführern. Nur wer sich selbst jeden Tag herausfordert und den Status Quo in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen hält, bleibt an der Spitze.

Zum anderen können Mitarbeiter ihre Weiterbildung auch selber in die Hand nehmen und an Abendkursen, Seminaren oder Studiengängen teilnehmen. Die internationale Arbeitsmarktstudie Decoding Global Trends in Upskilling and Reskilling der Boston Consulting Group hat herausgefunden, dass Menschen, die ihren Job durch Megatrends wie Digitalisierung und Globalisierung beeinflusst sehen, bereit sind in neue Fähigkeiten zu investieren. In Deutschland wenden 38 Prozent der Befragten jedes Jahr

Zeit für Weiterbildung auf – von einigen Wochen bis zu einigen Monaten. Im globalen Vergleich sind es jedoch 65 Prozent. Das bedeutet, dass deutsche Arbeitnehmer schon jetzt in puncto Weiterbildung im internationalen Vergleich hinterherhinken. Um auch zukünftig auf einem globalen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu sein, müssen sie mehr Zeit für Bildung aufbringen.

Doch wie kann stetiges Lernen gelingen, wo viele Arbeitgeber derzeit ihre Weiterbildungsetats herunterfahren oder sogar einfrieren und viele Arbeitnehmer es nicht schaffen – sei es aus Zeit- oder Budgetgründen – Weiterbildung in ihr Privatleben zu integrieren?

Janet Haupka rät, die aktuelle Situation im Kontext von Mitarbeiterbildung zu nutzen.

Eine Wissens-, Feedback- und Fehlerkultur stellt die richtigen Weichen

Um Weiterbildung in Unternehmen auf ein hohes Niveau zu bringen, gibt es auch kostengünstige Lösungen: Lernen muss sich natürlich in den Arbeitsalltag einfügen. Basis hierfür ist eine Unternehmenskultur, die Wissensmanagement zur Top-Priorität erklärt. Dabei ist die Arbeitsatmosphäre geprägt von Mitarbeitern, die gerne Wissen teilen – über Hierarchien und Kompetenzbereiche hinweg. Im Prinzip wird ein allumfassendes “Train the Trainer”-Konzept ausgerollt. Firmen richten dafür zentrale physische und virtuelle Treffpunkte, Netzwerk-, Austausch- und Feedback-Formate ein, um den persönlichen Wissenstransfer durch das Unternehmen fließen zu lassen.

Dabei werden einige Arbeitnehmer selbstständiglernen, andere lieber in Gemeinschaft, und es wird auch solche geben, die ungern lernen. Deshalb sollten Wissenstransfer- Maßnahmen vielfältig sein. Dafür bieten sich beispielsweise Job Shadowing für neue Mitarbeiter, generations- und fachübergreifende Mentoren-Programme und Projektteams an. Auch Kaffee- oder Mittagspausen sind ideale Orte der Weiterbildung. Hier wird der Austausch durch Impulsvorträge angeregt. Mitarbeiter, die keinen direkten Zugang zum Lernen haben, motiviert man am besten mit spielerischen Erlebnissen. Hier unterstützen digitale Erfahrungsräume, in denen Gamifaction und Technologien wie Virtual Reality eingesetzt werden, um Wissen zu transportieren.

Darüber hinaus sind eine Feedback- und Fehlerkultur fürs Lernen enorm wichtig. Konstruktives Feedback lädt nicht nur zur Selbstreflektion ein, sondern kann auch im kreativen Brainstorming enden. So profitieren alle davon. Auch Fehler gehören zum persönlichen Wachstumsprozess. Gerade durch sie lernt man am meisten. Auf diese Weise können Mitarbeiter erkennen, welche Fähigkeiten ihnen fehlen.

Neue Lebensabschnitte und Berufsqualifikationen nutzen und wertschätzen

Im Privaten ergeben sich ebenso natürliche Lernphasen, wie beispielsweise durch Elternzeiten, Sabbaticals oder Ehrenämter. Wenn sie bewusst genutzt werden, fördern sie soziale, kulturelle, strukturelle oder organisatorische Fähigkeiten. Heute wünschen sich viele Mitarbeiter diese Auszeiten, um weitere Erfahrungen – außerhalb der Arbeit – zu sammeln. Unternehmen sollten diesen Bedürfnissen offen gegenüber sein und dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Denn auch sie profitieren letztendlich von der Weiterentwicklung ihrer Angestellten      – auch wenn diese im Privatleben stattfinden.

Auch wird eine Karriere im Leben zukünftig seltener. Das liegt besonders daran, dass sich das Rentenalter nach hinten schiebt und traditionelle Berufsbilder zunehmend verschwinden. Eine berufliche Neuausrichtung mitten im Leben wird dadurch in Zukunft wahrscheinlicher, weil ältere Arbeitnehmer entweder ihren Beruf nicht mehr ausüben können oder möchten. In Unternehmen steht man einem späten Jobwechsel oftmals eher kritisch gegenüber. Auch hier ist ein Perspektivwechsel nötig, denn diese Personen zeigen Mut, eine hohe Lernbereitschaft, Eigenmotivation und Anpassungsfähigkeit. Darüber hinaus punkten sie mit langjähriger Erfahrung und sozialer Kompetenz.

Auch gilt die Sichtweise auf jüngere Generationen zu verändern: Sie präsentieren sich oft als Jobnomaden. Jobhopping ist generell bei Personalern negativ besetzt und bedeutet für sie „kein Durchhaltevermögen”. Jobwechsel haben aber auch ihren Wert: Denn wenn die Millennials glaubwürdig erklären können, was sie bei jedem Arbeitgeber gelernt haben, kann das Lernen vermeintliche Pluspunkte wie Loyalität, Stabilität, Ausdauer und Disziplin überwiegen.

Lebenslanges Lernen ist ein nicht endender Prozess. Nur wenn täglicher Wissenstransfer, permanent neue Erfahrungen und Erkenntnisse den größten Teil des Berufs- und Privatlebens ausmachen, kann lebenslanges Lernen realistisch und unabhängig vom Zeit- und Etatmanagement umgesetzt werden. Dafür müssen Firmen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, und Mitarbeiter das richtige Mindset      entwickeln. Ihre klassische Karriereleiter wird aussterben. Sie wird zum Klettergerüst, das Erfahrungen und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenführt. Dieser gesellschaftlichen Entwicklung sollten auch Unternehmen gegenüber offen sein, privates Engagement und neue Lebensphasen ihrer Angestellten unterstützen. Nur so können deutsche Unternehmen und Arbeitnehmer im internationalen Wettbewerb sich nach oben katapultieren.

Über Janet Haupka

Sie ist eine von zwei Geschäftsführerinnen bei DONE!Berlin – einer Personalberatung für schnell wachsende Unternehmen. Zu den Kunden zählen airbnb Europe, Knauf Digital, N26, Volocopter, Gorillas, Doctolib und viele mehr. Janet Haupka ist eine HR-Expertin. Sie baut als Interim Head of HR in vielen Unternehmen interne Teams und Prozesse auf, implementiert neue Software-Systeme und berät das C-Level-Management.

Weitere Informationen unter:
https://doneberlin.com