Kostentransformation braucht Mut und Kompetenz

Dr. Hendrik Engelhardt, Director bei Deloitte Consulting, sieht bei vielen Unternehmen, dass aufgesetzte Transformations- und Kostensenkungs­programme nicht wirksam umgesetzt werden.

„Es muss ein Umdenken stattfinden, weg von den gängigen kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, die ja ohnehin laufen.“

Herr Dr. Engelhardt, worauf müssen sich deutsche Unternehmen jetzt einstellen?
Zunächst einmal gibt es erste Anzeichen einer Rezession in Deutschland, wie et­wa rückläufige Auftragseingänge. Dies führte dazu, dass mehr als 50 börsennotierte Unternehmen in den ersten beiden Quartalen 2019 ihre Gewinnprognosen reduziert haben – vor allem in der Automobilindustrie. Insbesondere vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung verlangt dies von den Unternehmen einen schwierigen Spagat zwischen Kostensenkungen und gleichzeitiger Wachstums- und Innovationsförderung. Nicht zuletzt geopolitisch ist das Marktumfeld von einer zunehmenden Dynamik geprägt.

Daher müssen Unternehmenslenker trotz des herausfordernden Umfelds flexibel auf dynamische Veränderungen reagieren können. Nur inkrementelle Maßnahmen reichen hierzu nicht aus, weil insbesondere die Einführung neuer digitaler Technologien signifikante finanzielle Ressourcen benötigt – Ressourcen, die bei einem angespannten Marktumfeld bewusst und gezielt eingesetzt werden müssen.

Hier geht es um grundlegende beziehungsweise disruptive Strukturänderungen im jeweiligen Geschäftsmodell. Dafür sind die Kostenstrukturen strategisch weniger relevanter Geschäftsbereiche rigoros auf Effizienz zu trimmen. Somit wird zusätzlicher finanzieller Spielraum für Investitionen in Innovation und Digitalisierung geschaffen.


Was meinen Sie mit „disruptiven Strukturänderungen“?
Es muss ein Umdenken stattfinden, weg von den gängigen kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, die ja ohnehin laufen. Ein Drosseln der Produktion alleine wird nicht ausreichend sein. Erfolgreiche Geschäftsmodelle müssen effizient aufgestellt werden. Kritisch ist es, dabei kontinuierlich bestehende Wettbewerbsvorteile weiter auszubauen. Ein wesentlicher Treiber ist hier der konsequente Einsatz digitaler Technologien als Basis für eine weitere intelligente Automatisierung und Effizienzsteigerung. Deren Einsatz schafft die Voraussetzungen, dass Mitarbeiter sich stärker auf Kunden und die Weiterentwicklung bestehender oder den Aufbau neuer Produkte und Services fokussieren.


Welche Erkenntnisse förderte Ihre aktuelle Studie zutage?
Um es kurz zu sagen: Die Ergebnisse sind ernüchternd. Mehr als die Hälfte der in Deutschland, aber auch international befragten Unternehmen plant, in den nächsten 24 Monaten ein Kostensenkungsprogramm umzusetzen. Das klingt zunächst gut. Aber: Neun von zehn deutschen Unternehmen verfehlen ihre selbst gesteckten Ziele zur Kostensenkung – und das trotz konservativer Planung. Die meisten dieser Programme sind zu kurzfristig ausgerichtet und adressieren nur Teilbereiche – und auch diese meist bloß inkrementell. Der große Wurf bleibt aus. In der aktuellen Wirtschaftslage in Deutschland ist das eine schlechte Nachricht. Vor dem Hintergrund internationaler Handelskriege und politischer Spannungen setzen diese Pläne spät an, bleiben daher reaktiv und verfehlen die Chance, aus den Veränderungen nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren.


„Neun von zehn deutschen Unternehmen verfehlen ihre selbst gesteckten Ziele zur Kostensenkung. In der ak­tuellen Wirtschaftslage in Deutschland ist das eine schlechte Nachricht,“

…schlägt Dr. Engelhardt Alarm.


Warum erreichen nur wenige Unternehmen ihre angepeilten Kosteneinsparungen?
Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Umsetzung nicht konsequent genug verfolgt wird. Das volle Potenzial kann damit nicht gehoben werden. Zudem besteht in deutschen Firmen oft ein Man­gel an Kompetenz in Hinsicht auf die Implementierung innovativer digitaler Lösungen für eine wirksame und nachhaltige Kostenreduktion. Oft ist der interne Widerstand höher als erwartet: „Alte Zöpfe“ schneiden sich einfach nicht so leicht ab. Selbst dann nicht, wenn durch Veränderungen Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Mitarbeiter frühzeitig einzubinden. Transparenz über die Notwendigkeit der Sparmaßnahmen und Aufzeigen von Perspektive gegenüber der Belegschaft sind hierbei absolut erfolgskritisch für eine Transformation. Nur so können die Ziele erreicht werden.


Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung und damit die Automatisierung?
Digitale Lösungen, mit denen sich operative Kosten senken lassen, werden häufig nur unzureichend implementiert. Dies liegt oftmals daran, dass das entsprechende Know-how noch nicht im Unternehmen vorhanden ist. In der industriellen Fertigung und Logistik führen beispielsweise Roboter seit vielen Jahren Aufgaben von Menschen aus. Als nächste Stufe der digitalen Transformation drängt Robotertechnik jetzt in andere Wertschöpfungsbereiche: Nicht nur Finanzprozesse mit riesigen Volumina werden mit „Robotic Process Automation“ höchst effizient erledigt. Auch andere Funktionen lassen sich mit dieser neuen Technologie außerordentlich beschleunigen – insbesondere solche, die standardisiert verlaufen. Zunehmend können die Roboter aber auch Aufgaben erfüllen, die eine gewisse „Intelligenz“ bei der Abwicklung erfordern.

„Digitale Lösungen, mit denen sich operative Kosten senken lassen, werden häufig nur unzureichend implementiert.“


Wie kann das Problem gemeistert werden, was raten Sie an?
Der Einsatz smarter Roboter führt dazu, dass sich einige Tätigkeitsprofile ändern werden. Im Idealfall können die frei werdenden Kapazitäten genutzt werden, um in Bereichen der eigenen Wertschöpfung mit größerer strategischer Relevanz eingesetzt zu werden oder um neue Geschäftsfelder aufzubauen. Das erfordert jedoch Mut und Risikobereitschaft sowie konsequentes Hinterfragen der eigenen Stärken und Schwächen.


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