Knappe Ressourcen und Lieferengpässe in der Elektronikindustrie: Führt das zu nachhaltigerem Konsum?

Die Meldungen zum Mangel an Chips und Rohstoffen wie Stahl, Aluminium oder auch Kunststoffen und den damit verbundenen Lieferengpässen bei Herstellern in vielen Branchen reißen nicht ab. Das hat einen großen Einfluss auf das laufende Geschäft und das Konsumverhalten. Viele Kunden sind dabei nicht gewillt, die langen Lieferzeiten in Kauf zu nehmen und suchen bereits gezielt nach Alternativen. Eine neue Dynamik ist insbesondere in der Verbraucherelektronik-Branche zu spüren, wo nun nachhaltige Produkte auf dem Vormarsch sind. Maurizio Hein, Country Manager Germany bei Swappie, schildert im Gastbeitrag, wie die Ressourcenknappheit in der Elektronikindustrie zu nachhaltigem Konsumverhalten führt und welche Rolle refurbished Elektronik dabei spielt.

Beispiel Smartphone-Herstellung: Was die Lieferkrise für Verbraucher bedeutet

Für die Lieferengpässe ist es auch in naher Zukunft kein Ende in Sicht: Eine Befragung des Instituts der Deutschen Wirtschaft von rund 2.800 Unternehmen zeigt, dass knapp ein Viertel der Unternehmen Einschränkungen bis ins Jahr 2023 erwartet. Rund ein Drittel rechnet zudem in der zweiten Jahreshälfte 2022 mit weiteren Produktionsausfällen. Eine der am stärksten betroffenen Branchen bleibt die Consumer Electronics Industrie. Ob Computer, Tablets oder Smartphone – die Herstellung all dieser Geräte benötigt die derzeit raren Chips und weitere Elektronikkomponenten. Allein im Jahr 2020 belief sich der weltweite Smartphone-Absatz auf rund 1,30 Milliarden Geräte, der geschätzte Absatz in Deutschland für das Jahr 2021 lag bei 22,1 Millionen Geräten (Quelle: Statista). Kein Wunder also, dass die andauernde Chipkrise selbst großen Herstellern wie Apple oder Samsung in die Quere kommt und die Umsätze drückt.

Was bedeutet das für Verbraucher? Zum einen erhöht sich der Preis der Elektronikware. So planen 67 Prozent der von dem Rohstoffmangel und den Lieferengpässen betroffenen Unternehmen Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben (Quelle: DIHK). Zum anderen verlängert sich die Wartezeit auf Wunschprodukte erheblich. Doch darauf wollen sich viele Konsumenten nicht einlassen. Eine aktuelle Umfrage* zeigt, dass mehr als ein Viertel (27 %) der deutschen Verbraucher nicht gewillt ist zu warten, bis das gewünschte Smartphone-Modell lieferbar ist. Wiederum wären nur sechs Prozent bereit, eine Lieferzeit bis zu acht Wochen in Kauf zu nehmen.

Stattdessen schauen Verbraucher nach Alternativen und es muss nicht immer das neueste Gerät oder Modell sein: Zwar würden Viele, nämlich 29 Prozent, im Falle eines Warenmangels auf ein ähnliches und verfügbares Smartphone-Modell des gleichen Herstellers setzen, aber immerhin entscheidet sich rund jeder sechste (17 %) mittlerweile für ein generalüberholtes oder gebrauchtes Modell – denn diese sind von den aktuellen Lieferengpässen nicht betroffen. Doch nicht nur verzögerte Lieferketten oder Preiserhöhungen spielen eine Rolle für das steigende Interesse an generalüberholter Elektronik. Vielmehr setzen immer mehr Verbraucher auf Nachhaltigkeit – und wenn Neuware Mangelware ist, dann wird dieser Trend nur beschleunigt.

Spürbare Marktverschiebung

Dass es eine Marktverschiebung in Richtung nachhaltiger Elektronik gibt, zeigt auch die IDC Smartphone-Gebrauchtmarkt-Prognose 2020-2024: Bis 2024 sollen global rund 351,6 Millionen gebrauchte sowie generalüberholte Smartphones ausgeliefert werden. Für die Jahre 2019 bis 2024 entspräche das einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 11 Prozent. Schaut man sich mal das Verhältnis von Neu- zu Gebrauchtware allein bei Apple im zweiten Halbjahr 2020 an, wird das Potenzial sehr deutlich: der globale Anteil von Apple-Produkten am Gebraucht- und Refurbished-Markt lag bei über 44 Prozent. Zum Vergleich: Neue Smartphones von Apple machten im selben Zeitraum weltweit nur knapp über 13 Prozent aus.

Konsumenten zeigen vermehrt Interesse an nachhaltiger Elektronik und dieser Trend wird sich auch in Zukunft halten. So ergab eine aktuelle Meinungsumfrage**, dass insgesamt 61 Prozent der Deutschen beim künftigen Smartphone-Kauf ein generalüberholtes Handy in Betracht ziehen würden. Dabei muss das Handy für 53 Prozent der Deutschen deutlich günstiger sein als ein Neugerät. Doch für die Hälfte (50 %) ist auch Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor, ein generalüberholtes Smartphone einem Neugerät vorzuziehen.

Warum überzeugt der Refurbished Markt als nachhaltige Alternative?

Refurbished Elektronik sind gebrauchte Geräte oder Komponenten, die professionell repariert, aufgewertet und für den Weiterverkauf „fit“ gemacht werden. Altelektronik wird quasi ein zweites Leben geschenkt. Von Laptops, Spielkonsolen über Kameras bis hin zu Smartphones findet man auf dem Recommerce-Markt mittlerweile zahlreiche Produktkategorien. Dabei verwerten Refurbished Händler Elektronikbestände von privaten oder gewerblichen Nutzern, die sonst größtenteils als Elektroschrott enden würden. Beim Kauf von generalüberholter Elektronik werden also mindestens der CO2-Außstoß und die hochwertigen, raren Materialien gespart, die bei der Produktion von Neugeräten entstehen.

Um die Größenordnung zu veranschaulichen, bleiben wir beim Beispiel der Smartphone-Herstellung: allein die Produktion neuer Smartphones macht 80 bis 90 Prozent ihres gesamten CO2-Fußabdrucks aus. Für die Herstellung der in Handys erhaltenen Elektronik und die Gewinnung der darin enthaltenen Metalle – wie zum Beispiel Gold, Platin und Silber – wird eine erhebliche Menge an Energie benötigt. Immerhin steckt in einer Tonne alter Smartphones 100 Mal mehr Gold als in der gleichen Menge Golderz (Quelle: Recycling Today).

Während die Elektronikherstellung grundsätzlich die Umwelt belastet, sind Mobiltelefone aufgrund der Häufigkeit, mit der wir auf neue Geräte aktualisieren ein besonderes Problem. Die meisten Nutzer (37 %)** behalten ihre Mobiltelefone zwischen zwei und zweieinhalb Jahren, bevor sie sich ein neues kaufen. Und viele Menschen halten an ihren alten, ungenutzten Geräten fest. Allein in Deutschland verstauben über 200 Millionen ausrangierte Althandys in Schubladen (Quelle: Bitkom). Das Potenzial, diese Geräte in einen nachhaltigen Kreislauf wieder aufzunehmen, ist enorm.

Aus Refurbisher-Perspektive: Oft reichen eine Diagnose und Reinigung der Hardware alter Geräte aus, um ihre volle Leistung wiederherzustellen. Manchmal ist es notwendig, eine Komponente wie den Akku oder den Bildschirm zu ersetzen, alles andere ist jedoch in perfektem Zustand und das Gerät funktioniert wie neu. Die für Reparaturen benötigten Ersatzteile werden oft ebenfalls aus Altgeräten gewonnen und fließen als Einzelteile in den Handy-Kreislauf zurück, sodass in vielen Fällen die Verwendung von neuproduzierten Teilen vermieden werden kann. Damit kein Zweifel, nach dem Motto „Gebraucht ist schlechter“ besteht, sichern die professionellen Händler die Qualität der Reparaturen durch umfangreiche Garantien.

Nachhaltige Elektronik in Unternehmen fördern

Doch es liegt nicht nur an Endverbrauchern, Elektronik nachhaltiger zu nutzen. Ebenso wie private Konsumenten bedarf es auch des Engagements von Unternehmen, die auf umweltfreundliche Elektronik setzen, um ihre Ökobilanz zu verbessern. Man hört oft von den verschiedenen Initiativen, die Verbraucher ergreifen können, um nachhaltiger zu leben – und es geht dabei nicht nur um umweltbewusste Techniknutzung, sondern auch seit langem um Recommerce-Bereiche wie Mode, Autos, Bücher oder Möbel. Im Business-Bereich geht es oft um Digitalisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen, doch die Nutzung nachhaltiger Büroausstattung und -technik bleibt leider noch immer im Hintergrund. Dabei existieren mittlerweile verschiedene Modelle, den beruflich bedingten Elektronikkonsum umweltfreundlicher zu gestalten – vom Einsatz von refurbished Geräten bis hin zur Leihtechnik und -Ausstattung, die am Ende ihrer Nutzungsdauer zurückgegeben und in den Elektronikkreislauf zurückgeführt werden können.

Fazit

Die andauernden Lieferverzögerungen bei technischen Konsumgütern führen dazu, dass immer mehr Verbraucher sich mit Alternativen auseinandersetzen – vor allem mit solchen, die einerseits stets verfügbar und günstiger sind, andererseits den eigenen Konsum nachhaltiger machen. Die Neuware-Knappheit ist nur ein Beschleuniger des Trends zum bewussten Elektronikkauf. Sollte der Ressourcenmangel in Zukunft die Preise von neuer Elektronikware weiter in die Höhe treiben, werden generalüberholte Geräte weiter an Beliebtheit gewinnen und von Vielen einem Neugerät vorgezogen – auch der Umwelt zuliebe.

* Die repräsentative Umfrage wurde zwischen dem 3. und 7. Dezember 2021 im Auftrag von Swappie vom Marktforschungsunternehmen Civey durchgeführt. Befragt wurden insgesamt 2.580 Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland im Alter zwischen 18 und 65+ Jahren.

** Die Daten stammen aus einer von Swappie in Auftrag gegebenen und von Kantar durchgeführten Umfrage. Die Umfrage wurde im Oktober 2021 unter insgesamt 12.000 Verbrauchern aus zwölf europäischen Ländern (inkl. Deutschland) im Alter von 18 bis 74+ Jahren durchgeführt.

Autor:

Maurizio Hein ist Country Manager Germany beim finnischen Re-Commerce Unternehmen Swappie.de. Der gebürtige Würzburger studierte Kultur- und Literaturwissenschaften, sowie interkulturelles Management in Frankreich und Deutschland. In Helsinki begann er im finnischen Start-up Ökosystem tätig zu werden. Seit 2020 unterstützt Maurizio Swappie bei der Internationalisierung, hat Märkte wie Spanien, Polen oder Tschechien aufgebaut und ist inzwischen gesamtverantwortlich für den deutschen Markt und dessen Wachstum. Im Rahmen dieser Arbeit hat er sich eine umfassende Expertise im Bereich Second-Hand-Supply und E-Commerce aufgebaut.

Weitere Informationen unter:
www.swappie.de