Wunderwaffe für die digitale Transformation

Die Redaktion spricht mit Josef Brunner, CEO relayr, über EaaS-Modelle und die aktuelle Markttransformation im Kontext disruptiver Technologien.

Herr Brunner, vor welchen Herausforderungen steht die Industrie im Kontext der digitalen Transformation?

Ich persönlich glaube nicht an die digitale Transformation als alleinstehendes Phänomen. Ich glaube, dass sich Märkte heutzutage extrem schnell verändern und transformieren. Die transformativen Elemente dieser Änderung sind unter anderem die Niedrigzinsphase, die schwindende Vorhersehbarkeit des eigenen Geschäftsmodells (wie bspw. in der Automobilbranche) und die Möglichkeiten, die sich durch das Digitale und durch innovative Technologien im Allgemeinen ergeben.

Die Chancen und die Risiken dieser Markttransformation sind in meinen Augen fast gleich groß. Im Idealfall kann die deutsche Industrie ihre Marktführerschaft nicht nur behalten, sondern ausbauen. Margensituationen können wir verbessern, indem wir Produkte mit Equipment-as-a-Service-Modellen flexibler als Dienstleistung in den Markt bringen.

Auch wenn die ersten Schritte hin zu einem völlig neuen Geschäftsmodell vielen Unternehmen erst einmal weh tun, entsteht für sie das große Potenzial, sich wesentlich tiefer vertikal in die Wertschöpfungskette ihrer Märkte zu integrieren.Der Ansatz, neben den Maschinen beispielsweise auch ihre Betriebsmittel und Ersatzteile als Service mitanzubieten, wird sich in den nächsten Jahren stark verbreiten. Eine Chance, die sich nicht nur in bestehenden Märkten bietet. Auch der Einstieg in neue Märkte kann durch innovative Geschäftsmodelle gelingen.

Verpassen wir es jedoch, auf die Transformation unserer Märkte erfolgreich, schnell und auf wirklich bedeutsame Weise zu reagieren, werden wir einen Großteil unserer Wertschöpfung verlieren. Die deutsche Industrie könnte zum Hardware-Lieferanten degradiert werden, den Bezug zum Kunden verlieren und zusätzlich vom Margendruck aus Asien weiter geschwächt werden.

Es liegt also an jedem einzelnen Unternehmen selbst, die Chancen neuer Technologien rechtzeitig zu nutzen, um den Herausforderungen einer Markttransformation zu begegnen.

Warum ist es für Unternehmen so wichtig, eine Business Transformation in Angriff zu nehmen?

Märkte ändern sich derzeit rasant. Diese Markttransformation führt zu einem geänderten Kaufverhalten, was wiederum dazu führt, dass nun Consumption-based-Modelle wie EaaS benötigt werden. Wer sich dieser Transformation verschließt, könnte enden wie einstmals stolze Unternehmen wie Kodak, Nokia, Blackberry und viele andere. Wer sich der Transformation aber erfolgreich und proaktiv stellt, hat die Möglichkeit, Marktanteile auszubauen und gestärkt aus der Transformation herauszugehen.

Was bedeutet Equipment-as-a-Service?

EaaS erlaubt es Maschinenherstellern, ihre Produkte als Service anzubieten und dabei auch weitere Teile der Wertschöpfungskette (z. B. Verbrauchsmaterialien) zu besetzen. Für den Nutzer der Maschine hat ein EaaS-Angebot einen enormen Vorteil gegenüber dem Leasing, da es keine Langzeitverpflichtung gibt, die man auf der Bilanz ausweisen muss.

„EaaS erlaubt es Unternehmen, einen größeren Teil der Wertschöpfungskette zu monetarisieren.“

Josef Brunner

Warum ist das EaaS-Vertriebsmodell für Unternehmen eine Wunderwaffe im Hinblick auf die digitale Zukunft?

EaaS erlaubt es Unternehmen, einen größeren Teil der Wertschöpfungskette zu monetarisieren. Die Erwerbsmodelle mit hohen Investitionen (Capital Expenditures, CAPEX) werden durch mehrjährige Serviceverträge ersetzt, die als Betriebskosten (Operating Expenses, OPEX) verwaltet werden. Auch die Verbrauchsgüter können in die Pay-per-Use-Modellen integriert werden. Ferner ist das Angebot für den Nutzer des Service attraktiver (da risikoärmer) als ein klassisches CAPEX-Angebot. Die frühzeitige Einführung von EaaS schafft einen enormen Wettbewerbsvorteil.

Josef Brunner, CEO relayr

Welche Vorteile hat das EaaS-Konzept in betriebswirtschaftlicher Hinsicht?

Für den Endkunden, den Nutzer, hat dieses Konzept einige extrem vielversprechende Elemente. Zuerst gibt es keine langfristige Verbindlichkeit, die auf den Bilanzen berücksichtig werden muss (das ist ein großer Unterschied zu Leasing). Zum zweiten orientiert sich die Bezahlung über ein Pay-per-Use-Modell an der eigenen Auslastung. Somit ist auch der Cashflow positiv und der Hersteller trägt das Risiko. Auslastungsspitzen und Auslastungstäler haben somit keinen direkten oder indirekten Cashflow-Nachteil.

Zusammengefasst: Equipment-as-a-Service-Lösungen haben
• bilanziellen Vorteil, da keine langfristige Verbindlichkeiten
• sind sehr cashflow-freundlich
• der Cash-Income korreliert mit den Zahlungsverpflichtungen

Für den Produzenten der Maschine, der die Leistung über ein EaaS-Modell als Service an seine Nutzer und Endkunden bringt, liefern wir nicht nur die komplette Technologie zur Abbildung des Projekts. In einigen Fällen könnte sogar die Strukturierung des Special Purpose Vehicle (SPV), auch Zweckgesellschaft, denkbar sein und wir unterstützen mit Finanzierungs-, Versicherungs- und Risikotransferelementen. Da wir oftmals als Finanzierungspartner auftreten und unsere Kostenstruktur an den Erfolg des Projektes gekoppelt ist, sind wir hier wahre Partner und sitzen sprichwörtlich mit unseren Kunden im selben Boot. Neben den bilanziellen und rechtlichen Unterschieden im Vergleich mit klassischen Leasing-Modellen liegt in dieser Partnerschaft in meinen Augen einer der größten Vorteile von EaaS.

Welche Technologien bringen Sie zum Einsatz?

Da die Uptime der Maschinen, die in EaaS-Modellen zum Einsatz kommen, für die Monetarisierung essenziell ist, ist es wichtig, eine solide technologische Basis für die Abbildung von Pay-per-Use-Angeboten zu haben. Wir sind in der Lage, alle technologischen Komponenten, die man für die Einführung neuer Service-Geschäftsmodelle benötigt, aus einer Hand anbieten zu können. Unsere Device-Management-Lösung ermöglicht die Datenakquise der Maschinen, unsere Middleware die effiziente Verarbeitung der Daten und deren Bereitstellung. Darauf aufbauend verarbeiten unsere AI-Module die Daten und sorgen dafür, potenzielle Downtime präventiv zu verhindern. Unsere Applikations- und Dashboard-Lösungen visualisieren dabei die nötigen Daten. Durch diese technischen Lösungen wird ein Pay-per-Use Modell möglich.

Welche Vorteile bringen Predictive-Maintenance–Lösungen im Hinblick auf das IIoT?

Predictive-Maintenance-Lösungen sind essenziell bei der Abbildung von Service-Modellen und bei der Gestaltung von Risikotransferansätzen. Über weitreichende, standortunabhängige Analysen vorhandener und neuer Daten erkennen wir nicht nur einen möglichen Stillstand eines Systems. Als agnostischer Anbieter sind wir in der Lage, über die Daten aller Maschinen zu verfügen, die Teil eines Prozesses sind. So konzentrieren wir uns also nicht nur auf die vorausschauende Wartung einer Maschine, sondern können den gesamten Prozess an sich zuverlässiger abbilden. Wir garantieren die Steigerung der Uptime und die Verfügbarkeit eines Prozesses anhand der Überwachung von Maschinendaten und stehen dafür finanziell und bilanziell ein.

In welchen Industriebranchen können EaaS-Vertriebsmodelle zum Einsatz kommen?

In den Industrien, die weniger Vorhersehbarkeit haben als früher (u. a. die Automobilbranche) und in Märkten, bei denen die Kombination aus niedrigverzinsten Krediten, der Veränderung des Produktionsverhaltens und technologischer Errungenschaften zu einem veränderten Kaufverhalten führt. Außerdem sehen wir einen starken Anstieg von EaaS-Projekten in Märkten, in denen verschiedene Unternehmen an der Wertschöpfung beteiligt sind (Hersteller, Service-Partner, Distributoren, Wiederverkäufer, Endkunde, Ersatzteilgeschäft).

Whitepaper

Die Reise der Business Transformation

Richtig umgesetzt, bietet eine Business Transformation zahlreiche Vorteile wie Umsatzwachstum, eine Ausweitung der
Marktanteile und einen höheren Mehrwert.
Das Whitepaper gibt Aufschluss über die damit verbundenen Chancen und der Frage,
wie man im heutigen Wettbewerbsumfeld
bestehen kann.

www.relayr.io/de/white-paper

Wie gelingt die Business Transformation Ihrer Kunden und mit welchen Fragen starten Sie?
(Eine Business Transformation ist kein Ziel, sondern eine Reise…)

Viele Unternehmen verdanken ihren Erfolg der Perfektionierung ihrer Produkte. Die Innovationsprozesse waren bei ihnen bisher sehr stark drauf ausgerichtet, das Produkt bzw. die Maschine zu verbessern. Bei einer Business Transformation geht es allerdings nicht primär um das bestehende Produkt. Es geht, wie der Name schon sagt, um die Transformation des Geschäfts.

Die Fragen, mit denen wir einsteigen, beziehen sich somit zuerst auf die Märkte, in denen unsere Kunden Domänenexpertise haben. Im Speziellen interessieren wir uns für Veränderungen, Kaufprozesse und die Probleme, die den eigentlichen Endkunden / Nutzer betreffen. Der zweite Fragenblock bezieht sich auf die Assets, die unsere Kunden haben. Auch hier erkennen wir einen Reflex, sofort auf das Produkt zu sprechen zu kommen. Oftmals wird aber unterschätzt, dass es weitere, eventuell für die Transformation wichtigere Schätze im Unternehmen gibt. Bilanzsumme, Vertrauen beim Kunden, bereits gesammelte Daten, Zugang zu Märkten, die Möglichkeit, Verbrauchsmittel in großen Mengen discountiert zu kaufen – das sind nur einige Beispiele.

Danach versuchen wir, mit unseren Kunden die Antworten auf die beiden Frageblöcke in ein EaaS-Angebot zu überführen und uns zu überlegen, wie wir gemeinschaftlich an den Markt gehen zu können.

Was verstehen Sie unter dem Modell zur risikofreien digitalen Transformation mithilfe von IIoT?

Um der Markttransformation zu begegnen, ist wie gesagt meist eine komplette Geschäftsmodelltransformation nötig, um auch weiterhin relevant zu bleiben. Die ist selten risikofrei. Gemeinsam mit Munich Re können wir Unternehmen, die diesen Prozess durchlaufen, Risikotransferelemente bieten. Ferner sind die Finanzierung und Versicherung von IIoT-Projekten, die wir anbieten und gerade für mittlere Unternehmen eine große Entlastung darstellen können.

So bieten wir verschiedene Finanzierungsmodelle an, die höchst individuell auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten und mit herkömmlichen Finanzinstituten selten möglich sind. Darüber hinaus bietet wir Risikomanagement an, welches die Hemmschwelle für die Umsetzung sehr stark senkt. So können wichtige Schritte auf der Transformationsreise abgesichert werden, sogar bis hin zu Garantien für die Erreichung festgelegter Geschäftsziele.

Ferner haben wir mit jedem Kunden eine Preisstruktur vereinbart, die sich am Erfolg des gemeinschaftlichen Projektes orientiert. Wir agieren also immer absolut partnerschaftlich und wollen nicht nur der Softwarezulieferant sein.

Ab welchem Stadium der Transformation gelingt es, neue Geschäftsmodelle zu etablieren und neue Einnahmequellen zu generieren?

Die gesamte Transformation des Geschäfts dient dem Zweck, neue Geschäftsmodelle zu identifizieren. Daher ist es schwierig, von Phasen zu sprechen. Grundsätzlich schlagen wir immer vor, ein klares Ziel zu definieren: Wie sieht ein neues Angebot an den Markt aus, wie wird es bepreist und wann wird es verfügbar sein? Von diesem Endziel arbeiten wir dann rückwärts, stellen sicher, dass wir den Markt verstehen und die technologischen Komponenten verfügbar haben. Danach kümmern wir uns um Risikotransfer-, Versicherungs- und Finanzierungselemente des Angebots.

Zur Person

Josef Brunner ist Founding Investor und CEO bei relayr. Seit seinem 16. Lebensjahr gründete er mehrere IT- und Cyber-Security-Unterneh­men, u. a. JouleX, das später von Cisco übernom­men wurde. Darüber hinaus ist er Business Angel und Mentor anderer Gründer.

Ihr direkter Kontakt zu Josef Brunner:
https://de.linkedin.com/in/josef-brunner-85203915

Aufmacher- und Beitragsbild / Quelle /Lizenz
www.relayr.io