Die Ansprüche der heutigen Kundengeneration erfüllen

Martin Beyer, Vorstandssprecher der Fiducia & GAD IT AG, spricht mit der TREND-REPORT-Redaktion über die Vorteile hochgradig automatisierter Banking-Prozesse.

Was bedeutet für Sie der Begriff „Finanzwelt im Wandel“? Wie wird sich die Bankenbranche transformieren?

Der Transformationsdruck geht eindeutig von der Kundenseite aus. Denn der digitale Wandel hat unser aller Lebensgewohnheiten, insbesondere unser Konsum- und Kommunikationsverhalten von Grund auf verändert. Das hat auch Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Bank und Kunde: Selbstbestimmt, auf Augenhöhe und mit deutlich höherem Tempo als in der analogen Ära – so will die heutige Kundengeneration mit ihrer Hausbank interagieren. Finanzinstitute müssen sich daher beeilen und die wachsenden Erwartungen ihrer digital geprägten Kundschaft schneller und besser erfüllen als beispielsweise FinTech- oder BigTech-Unternehmen. Speziell für die Volks- und Raiffeisenbanken, also die Kunden der Fiducia & GAD, heißt das: Sie müssen ihre traditionellen Stärken der Regionalität und physischen Kundennähe ins digitale Zeitalter übersetzen – und zwar durch personalisierten Omnikanal-Service, der individuelle Kundenbedürfnisse punktgenau adressiert.

Welche Rolle wird das Thema künstliche Intelligenz in Zukunft für die VR-Banken spielen und wo wird diese heute schon eingesetzt?

KI ist aus meiner Sicht absolut unverzichtbar, weil sich nur so aus Rohdaten valides Wissen zur individuellen Bedarfssituation generieren lässt. Und nur mit diesem Wissen können VR-Banken im richtigen Moment die passenden Serviceangebote automatisch anstoßen. Smart Data Analytics hat für uns als Digitalisierungspartner der Genossenschaftsbanken deshalb eine besonders hohe strategische Priorität. Darüber hinaus schafft KI auch völlig neue Möglichkeiten in der Kundeberatung, etwa via Chatbot. Wir selbst konnten per Chatbot beispielsweise die Servicequalität in unserem Help-Desk für Bankmitarbeiter signifikant verbessern.

Was verbinden Sie mit dem Begriff „Kunde 2.0“ und was erwartet dieser von seiner Bank?

Wie eingangs erwähnt, wird der Erwartungshorizont immer stärker von digitalen Erfahrungen geprägt – wobei der Begriff „Kunde 2.0“ keineswegs nur junge Menschen umfasst, sondern zunehmend auch Best Agers und Senioren. Sie alle erwarten von ihrer Bank einen kanalübergreifend konsistenten Rund-um-Service ohne Medienbruch – einfach, intuitiv und idealerweise fallabschließend.

Was steckt hinter dem BVR-Projekt „KundenFokus“?

„KundenFokus“ zielt auf eine ganzheitliche Verzahnung sämtlicher Vertriebskanäle, die dadurch zu einem echten Omnikanal-Erlebnis verschmelzen. Es geht im Kern um die digitale Kundenschnittstelle und die sich daran anschließenden Abschlussprozesse – letztlich also um die Fähigkeit für VR-Banken, die eben skizzierten Ansprüche der heutigen Kundengeneration schnell, flexibel und mit einer gesunden Kosten-Nutzen-Relation zu erfüllen. Unter dem Dach des verbundweiten Großprojekts „KundenFokus“ investiert die genossenschaftliche FinanzGruppe deshalb bis Mitte 2023 rund 500 Millionen Euro in eine nie dagewesene Digitalisierungsoffensive und entwickelt gemeinsam mit den VR-Banken bis hin zu Endkunden der Bank die dafür erforderlichen fachlich-methodischen, prozessualen und technologischen Konzepte.

Inwieweit hat sich das Kundenverhalten durch die Pandemie geändert?

Kurz gesagt: Weniger Bargeldabhebungen, mehr Kartenzahlungen und eine deutlich gestiegene Aktivität im Online-Banking. Allerdings geht diese Aktivitätssteigerung derzeit noch vorwiegend von solchen Kunden aus, die auch bisher schon online unterwegs waren. VR-Banken brauchen aber eine breitere Online-Kundenbasis, um die Reichweite ihrer digitalen Omnikanal-Lösungen zu erhöhen. Dafür bietet die pandemiebedingt gestiegene Digitalisierungsbereitschaft in der Bevölkerung eine zusätzliche Chance.

Martin Beyer, Vorstandssprecher der Fiducia & GAD IT AG

Welche Vorteile bietet die 2019 abgeschlossene Migration auf agree21?

Die bundesweite Migration auf ein einheitliches Bankverfahren brachte zunächst einmal alle klassischen Konsolidierungsvorteile, wobei sich die Effizienzeffekte auf eine jährliche Kostenersparnis in Höhe von 125 Millionen Euro summieren. Vor allem aber sorgte die agree21-Migration für ideale Startbedingungen zur schrittweisen Ablösung des historisch gewachsenen Kernbankverfahrens durch eine zukunftsfähige Plattformarchitektur. Allein dadurch gewinnen die VR-Banken die notwendige Flexibilität, um mit dem rasanten Markttempo schrittzuhalten. So haben wir unmittelbar nach dem erfolgreichen Migrationsabschluss eine modular strukturierte Vertriebsplattform lanciert. Damit stehen digitale Mehrwertangebote schneller und zu deutlich geringeren Entwicklungskosten bereit, als dies mit einem monolithischen Kernbanksystem jemals möglich gewesenen wäre. Außer handfesten Kosten- und Effizienzvorteilen stellte die Migration letztlich also die entscheidenden Weichen für höhere Agilität im Wettbewerb.

Welche Vorteile entstehen durch den höheren Automatisierungsgrad?

Automatisierung in Kombination mit Standardisierung ist der Schlüssel für hocheffiziente Bankprozesse und damit für nachhaltig reduzierte Prozesskosten. Gerade bei heute noch personalintensiven Abläufen etwa im Marktfolgebereich gewinnen VR-Banken dadurch personellen Spielraum, um die Qualität ihrer Kundenbetreuung substanziell zu verbessern. Überdies erleichtern unsere hochgradig automatisierten Banking-Services die Konformität mit dynamisch veränderlichen Regulatorik-Anforderungen. Denn wie alle plattformbasierten Lösungen setzen sich Banking-Services aus sicherheitsgeprüften und vorab ausgiebig getesteten Lösungsbausteinen zusammen. Neben Effizienz- und Compliance-Vorteilen bedeutet Automatisierung also auch höhere Prozessstabilität.

Auf welche neuen digitalen Angebote können sich Kunden der VR-Banken in den nächsten Monaten freuen?

Auf der Basis der modularen Vertriebsplattform haben wir in diesem Jahr bereits ein komplett neu gestaltetes Firmenkundenportal freigeschaltet. In den nächsten Monaten folgt die gleichfalls renovierte Online-Banking-Umgebung für Privatkunden, bevor dann die grunderneuerte VR BankingApp an den Start geht. Mit der strategisch festgeschriebenen Plattformorientierung der Fiducia & GAD können Banken zudem Produkte von Verbundpartnern wie zum Beispiel der R+V Versicherung oder von Schwäbisch Hall nahtlos in ihr Omnikanal-Portfolio integrieren. Künftig gilt dies auch für Leistungen verbundfremder Drittanbieter aus der Region, mit denen sich VR-Banken perspektivisch zu einem regionalen digitalen Ökosystem vernetzen. Bankintern treibt die modulare Plattformarchitektur nicht zuletzt die Standardisierung und Automatisierung voran.

Weitere Informationen unter: www.fiduciagad.de