Biobasierte Kunststoffe:

Gastbeitrag von Lisa Mundzeck und Andrea Siebert-Raths

Biobasierte Kunststoffe: Definitionen, Anwendungsbereiche, Potenziale und Forschung

Angesichts der internationalen Diskussion um Umweltauswirkungen durch den Einsatz von Kunststoffen und die Bemühungen, Recyclingquoten zu erhöhen, den Eintrag von Mikroplastik in die Meere zu verringern und mehr und mehr Einweg- zu Mehrwegprodukten zu machen, stehen auch Biokunststoffe immer wieder im Fokus der Debatten.

Doch was sind Biokunststoffe überhaupt und was können sie leisten?

Derzeit existiert noch keine allgemein gültige Definition des Begriffs Biokunststoff, was zu vielen Missverständnissen führt. Vielfach wird der Begriff mit der Abbaubarkeit gleichgesetzt, was bei weitem nicht immer zutreffend ist.

Prof. Dr.-Ing. Andrea Siebert-Raths
Institutsleiterin des IfBB an der Hochschule Hannover
FOTO: CHINA HOPSON

Grundsätzlich werden sowohl biobasierte Kunststoffe als auch abbaubare Kunststoffe als Biokunststoffe bezeichnet. „Biobasiert“ bedeutet, dass es sich beim Ausgangsmaterial um nachwachsende Rohstoffe handelt. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass der Kunststoff am Ende auch biologisch abbaubar ist. Zum Beispiel sind auch Kautschuk oder Celluloseacet biobasierte Kunststoffe, aber trotzdem nicht bioabbaubar. Außerdem können auch bioabbaubare Kunststoffe erdölbasiert sein, da die Abbaubarkeit nur durch die chemische Struktur und nicht durch den Rohstoffursprung bestimmt wird.

Unterschieden werden muss außerdem zwischen den so genannten „Drop-Ins“ und den chemisch neuartigen Biokunststoffen. Bei den ersteren handelt es sich um biobasierte Kunststoffe, die die gleiche chemische Struktur aufweisen wie ihre petrobasierten Pendants, sie basieren aber eben nicht auf Erdöl, sondern auf nachwachsenden Rohstoffen, ihre Rohstoffbasis ist also biobasiert. Beispiele dafür sind Bio-PET, Bio-PP oder Bio-PE. Zusätzlich zu den Drop-Ins gibt es die chemisch neuartigen biobasierten Kunststoffe, wie bspw. PLA (Polylactid Acid), dessen Basis Polymilchsäure ist und für das es kein fossilbasiertes Pendant gibt. Die Drop-Ins weisen in der Verarbeitung, im Gebrauch und der Entsorgung gleiche Eigenschaften auf wie ihre petrobasierten Pendants, chemisch neuartige Biokunststoffe haben dagegen meist andere und teilweise verbesserte Materialeigenschaften.

Biobasierte Kunststoffe: Ursprungspflanzen können bspw. sein: Zuckerrohr, Zuckerrübe, Mais, Weizen, Kartoffeln, Holz oder auch Rizinuspflanzen.

Bei vielen der derzeit eingesetzten Biokunststoffe handelt es sich um langlebige biobasierte Kunststoffe, wie z. B. Bio-PET, Bio-PP, Bio-PE oder PLA, die zum großen Teil in Verpackungen, aber auch in vielen anderen Anwendungen wie der Automobilbranche, in Textilien oder der Luftfahrt eingesetzt werden. Abbaubare Biokunststoffe finden vielfach in der Medizin oder der Landwirtschaft Anwendung – und sollten auch nur dort eingesetzt werden, wo sie einen wirklichen Zusatznutzen versprechen, wie zum Beispiel als Mulchfolie. Ansonsten sind biobasierte Kunststoffe per se als ein Teil der Kunststofffamilie zu verstehen und damit als Werkstoffe genauso wertvoll wie herkömmliche Kunststoffe. Eine Mehrwegnutzung ist der Einwegnutzung immer vorzuziehen, weshalb der Fokus auf dem Einsatz von langlebigen Materialien liegen sollte.

Biobasierte Kunststoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie auf der Basis von Zucker, Stärke, Zellulose oder Rizinus-Öl hergestellt. Ursprungspflanzen können bspw. sein: Zuckerrohr, Zuckerrübe, Mais, Weizen, Kartoffeln, Holz oder auch Rizinuspflanzen.

Wegen des Anbaus dieser nachwachsenden Rohstoffe wird biobasierten Kunststoffen oftmals eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion nachgesagt: Es sei nicht ethisch vertretbar, Flächen für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zu nutzen, anstatt dort Lebensmittel anzubauen. Ein Vergleich macht deutlich, wie klein der Anteil der für nachwachsende Rohstoffe benötigten Fläche ist und wofür wir den Hauptteil der Anbauflächen verwenden:

Von 13,4 Milliarden Hektar globaler Landfläche nutzen wir weltweit rund fünf Milliarden Hektar für die gesamte Landwirtschaft. Diese landwirtschaftliche Nutzfläche wiederum unterteilt sich in das Grün- und Weideland (3,5 Milliarden Hektar) und die Ackerfläche (1,4 Milliarden Hektar). Die Fläche für die Produktion für Rohstoffe für Biokunststoffe geht aus dem Ackerland hervor und beträgt am Ende für die derzeitigen Produktionskapazitäten von rund 2,05 Millionen Tonnen noch rund 517.000 Hektar. Selbst bei dem vom IfBB prognostizierten Wachstum auf rund 8190.000 Hektar ist das immer noch weniger als 0,01 % der weltweiten Landfläche bzw. 0,02 % der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche, also ein verschwindend kleiner Anteil.

Die Grafik verdeutlicht, wie klein der Anteil der für nachwachsende Rohstoffe benötigten Fläche ist und wofür wir den Hauptteil der Anbauflächen verwenden.

Biokunststoffe haben damit auch bei dem anzunehmenden Wachstum nur einen unbedeutend kleinen Anteil an der Flächennutzung – vor allem im Vergleich zu den Flächen, die wir für die Tierhaltung bzw. die Produktion tierischer Erzeugnisse nutzen.

Nachhaltigere Produktion von biobasierten Kunststoffen

Dr. phil. Lisa Mundzeck,
Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit am IfBB
an der Hochschule Hannover.
FOTO: CHINA HOPSON

Nichtsdestotrotz wird auch in der Biokunststoffforschung daran gearbeitet, Reststoffe als Rohstoffbasis für Biokunststoffe einzusetzen. Der Einsatz von Reststoffen reduzierte die für Biokunststoffe benötigten Flächen drastisch und sorgte außerdem dafür, dass bereits anfallende Stoffe nicht ungenutzt entsorgt würden. Zum Einsatz könnten hier zum Beispiel Obst- und Gemüsekerne, Grünschnitt, Kaffeesatz, Nussschalen oder auch Getreide- und Rapsstroh, Hanf- oder Flachsstaub oder Ernterückstände bei Kartoffel und Zuckerrübe kommen, und zwar als nicht nur als Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe, sondern auch als Verstärkungs-, Füll- oder Farbstoffe sowie als Additive.

Der Einsatz von Reststoffen käme auch der Förderung regionaler Stoffkreisläufe zugute und sorgte damit für eine nachhaltigere Produktion von biobasierten Kunststoffen. Denn: Biokunststoffe sind nicht per se umweltfreundlicher als herkömmliche Kunststoffe. Ihre Nachhaltigkeitsbewertung hängt sehr vom verwendeten Material und dem Einsatzbereich, also der konkreten Anwendung, ab und natürlich ebenso vom Ursprung der verwendeten Rohstoffe. Klar ist, dass wir auch in dieser Hinsicht regionale Kreisläufe fördern und zum Beispiel Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe hierzulande anbauen bzw. hier anfallende Reststoffe nutzen müssen, um Importe aus Übersee und damit verbundene umweltschädliche Anbaumethoden mehr und mehr zu vermeiden.

Unabdingbar für eine zu forcierende Kreislaufwirtschaft hinsichtlich der (biobasierten) Kunststoffe ist ferner das Recycling. Biobasierte Kunststoffe können ebenso wie fossilbasierte Kunststoffe erfolgreich recycelt werden. Diejenigen mit dem gleichen chemischen Aufbau wie ihre petrochemischen Pendants (z. B. Bio-PP oder Bio-PET) werden im jeweiligen konventionellen Stoffstrom recycelt, chemisch neuartige Kunststoffe wie z. B. PLA können ebenfalls mit üblichen Techniken separiert und recycelt werden; hier fehlen aufgrund der derzeit noch geringen Mengen im Recyclingsystem allerdings noch die eigenen Stoffströme. Darüber hinaus gibt es für Biokunststoffe weitere Entsorgungsoptionen, zum Beispiel die Entsorgung in einer Biogasanlage oder eine CO2-neutrale Verbrennung.

Neben dem Thema Recycling im Rahmen der Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft finden derzeit vor allem die Simulation ihrer Verarbeitung, der Einsatz von Biowerkstoffen in hochtechnischen Anwendungen wie bspw. der Luftfahrt, ihre Nachhaltigkeitsbewertung, der Einsatz von abbaubaren Kunststoffen als Teillösung für die Kunststoffverschmutzung der Meere und eine weitere Verbraucheraufklärung große Beachtung in der Forschung und Entwicklung von biobasierten Kunststoffen.

IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe
an der Hochschule Hannover

https://www.ifbb-hannover.de/de/

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