Offene Plattformen

Martin Beyer, Vorstandssprecher der Fiducia & GAD IT AG, erläutert im Hintergrundgespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion, wie dank technologischer Offenheit in neuen Plattformarchitekturen der Weg frei für neuartige Serviceideen und Geschäftsmodelle gemacht wird.

Herr Beyer, wo lagen die Herausforderungen für die Volks- und Raiffeisenbanken, den einheitlichen Standard von agree21 zu implementieren? Was genau hat den Migrationserfolg bei Ihren Kunden ausgemacht?

Die größten Herausforderungen hatten zweifellos diejenigen Mitgliedsinstitute zu bewältigen, die vom früheren GAD-Bankverfahren bank21 auf den gemeinsamen Standard agree21 umgestellt wurden. Denn der Systemwechsel ließ so gut wie keinen Bankprozess unberührt. Hinzu kamen die durchaus unterschiedlichen Voraussetzungen und Geschäftsmodelle in den Häusern, die wir als Dienstleister zu berücksichtigen hatten. Dass diese deutschlandweit beispiellose Massenmigration tatsächlich wie geplant im vorigen Jahr erfolgreich abgeschlossen wurde, verdankt sich in erster Linie dem engen Schulterschluss zwischen den betroffenen Banken, uns als IT-Provider und allen anderen Dienstleistern in der genossenschaftliche FinanzGruppe. Echte Teamarbeit! Als entscheidende Erfolgsfaktoren erwiesen sich vor allem die erprobte und stabile Migrationsmethodik und die stringente Projektsteuerung. Die Konsolidierung ist jetzt abgeschlossen und wir können nach vorne schauen. Die Aufgaben mit Blick auf die Digitalisierung des Banking sind gewaltig.

Welche Vorteile bringt dieser gemeinsame Standard den Volks- und Raiffeisenbanken? Werden sie dadurch agiler?

Von der Systemkonsolidierung profitiert der gesamte Genossenschaftsverbund zunächst einmal durch beträchtliche Kostenvorteile, da nun nicht mehr zwei verschiedene Systeme parallel gepflegt und weiterentwickelt werden müssen. Für die betroffenen Banken heißt das insbesondere, dass wir Funktionserweiterungen in Zukunft deutlich schneller zur Verfügung stellen können als bei einer zweigleisigen Systementwicklung. Die nachhaltige Bedeutung der Verfahrenskonsolidierung geht aber über solche Synergien hinaus. Wir können jetzt den zwingend notwendigen strategischen Kurswechsel hin zu einer ganz anderen Art der Servicebereitstellung auf der Grundlage einer offenen Plattformarchitektur beginnen umzusetzen – moderne Oberflächen, Omnikanal-fähig, offen für Partnerlösungen, mit einem effizienten Entwicklungs- und Betriebsmodell, digital und maximal automatisiert.

Inwiefern trägt die offene Plattformarchitektur zu höherer Agilität bei? Und welche neuen Geschäftsmodelle werden dadurch möglich?

Im Vergleich zum heutigen monolithischen und daher naturgemäß schwerfälligen Kernbanksystem können wir digitale Lösungen über offene Plattformen nicht nur mit höherem Tempo, sondern auch gemeinsam mit den Kunden näher am realen Bedarf der Kunden entwickeln und in kurzen Sprintzyklen sukzessive bereitstellen. Somit werden nach und nach die großen und komplexen Releases entfallen, ein enormer Vorteil mit Blick auf die Time-to-Market. Banken gewinnen dadurch mehr Agilität im Wettbewerb, weil sie nun zeitnah und hocheffizient auf neue Marktanforderungen und veränderte Kundenbedürfnisse reagieren können. Dabei helfen ihnen zum Beispiel innovative Smart-Analytics-Lösungen, den aktuellen Bedarf ihrer Kunden noch besser zu verstehen. Offen ist unsere Plattformarchitektur sowohl für Partner aus dem Genossenschaftsverbund als auch für Drittanbieter wie etwa Startups aus der FinTech-Szene. Deren Serviceinnovationen, die sich oftmals nicht auf klassische Bankdienstleistungen beschränken, lassen sich künftig nahtlos in ein konsistentes Lösungsportfolio integrieren. So gesehen macht die technologische Offenheit unserer neuen Plattformarchitektur den Weg frei für neuartige Serviceideen und Geschäftsmodelle, mit denen jede Volks- und Raiffeisenbank das digitale Nutzungserlebnis ihrer Kunden bereichern kann.

Welche Bedeutung hat die strategische Plattformorientierung für die Zukunft der Banken und wie profitiert die Genossenschaftsgruppe davon?

Der Plattformgedanke ist von fundamentaler Bedeutung, wenn es um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Volks- und Raiffeisenbanken in einem anhaltend volatilen Marktumfeld geht. Die genossenschaftliche FinanzGruppe profitiert als Ganzes, weil unsere strategische Neuausrichtung die technologischen Weichen für eine intensivierte Kooperation innerhalb der Gruppe stellt und zugleich eine noch stärkere Kundenorientierung ermöglicht. Das Ergebnis ist dabei mehr als die Summe seiner Einzelteile. Denn aus Sicht des Kunden verbinden sich klassische Bankdienstleistungen beispielsweise mit passenden Versicherungs- und Vorsorgeprodukten von Verbundpartnern zu einem ganzheitlich wahrgenommenen Angebot, das via Omnikanal kundenindividuell genau zum richtigen Zeitpunkt aktiviert wird. Wie gesagt schließt dies perspektivisch auch Serviceinnovationen von Drittanbietern außerhalb des Genossenschaftsverbunds mit ein. Die Volks- und Raiffeisenbanken können in Zukunft also innerhalb eines digitalen Ökosystems regionaler Prägung agieren.

Heißt das, dass offene Plattformen die Banken befähigen, in einer vernetzten Gesellschaft schnell genug auf neue Marktherausforderungen zu reagieren?

So ist es: Sie können schnell und adäquat auf Bedarfsveränderungen reagieren und sich bietende Chancen besser IT-unterstützt und digital in den Markt bringen. In der schon deutlich sichtbaren Plattformökonomie lassen sich zum Beispiel aufsichtsrechtlich konforme und sicher vernetzte Banking-Lösungen durch uns, den Digitalisierungspartner der Volks- und Raiffeisenbanken, zentral bereitstellen. Das Innovationstempo wird künftig also nicht mehr durch dezentrale Compliance-Vorkehrungen ausgebremst. Insgesamt gewinnen unsere Mitgliedsbanken mehr Freiraum, um ihre Kunden durch maßgeschneiderte Angebote in jeder Lebenslage zu begleiten. Letztlich sind es die verbesserten Möglichkeiten zur hocheffizienten Vernetzung von Angeboten und Kompetenzen innerhalb und außerhalb des Genossenschaftsverbundes, mit der die Volks- und Raiffeisenbanken ihre traditionellen Stärken als Wettbewerbsvorteil in der digitalen Ära ausspielen können.

Lesen Sie mehr im Gastbeitrag von Martin Beyer:
Die Zukunft der Banken? Mehr als Banking!

www.fiduciagad.de

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