Wie Banken neue Technologie integrieren und ihre Altlasten hinter sich lassen

Dies ist ein Gastbeitrag von Vilve Vene, CEO und Mitgründerin von Modularbank

Wie in allen Branchen gilt auch für das Bankwesen: Technologie ist entscheidend. Bereits im Jahr 1983 startete die Bank of Scotland den Service „Homelink“, der heute als Vorreiter des Online Bankings gilt. Im Jahr 2020 – 37 Jahre später – basieren noch immer viele Banken auf einem Kernbanksystem, das deutlich früher und mit einem anderen Schwerpunkt entwickelt wurde. Im letzten Jahrhundert mussten Banksysteme vor allem sicher und zuverlässig sein, und das sind die Systeme auch heute noch. Viele Banken funktionieren monatelang, manche gar jahrelang ohne einen Ausfall.

Durch das Aufkommen von Cloud Computing und neuen Systemarchitekturen verändern sich auch die Anforderungen in der digitalen Bankenwelt. Von Banken wird heute erwartet, dass sie Transaktionen in Echtzeit ausführen und neue Finanzprodukte oder Partnerschaften innerhalb von Wochen entwickeln. Gerade in Zeiten, die schnelle Lösungen erfordern, ist das eine große Herausforderung.

Eine kürzlich von Modularbank durchgeführte Umfrage zeigt, dass für 85 Prozent der deutschen Verbraucher eine effektive Technologie bei der Wahl ihrer Bank wichtig ist. Doch viele Banken sind noch abhängig von ihren technologischen Altlasten. Es gibt drei unterschiedliche Möglichkeiten, wie Banken das Problem angehen können.

  1. Weiterhin auf das etablierte System vertrauen

Der bequemste Weg für das Management ist beim alten System zu bleiben. Doch das führt spätestens mittelfristig zu verschiedenen Problemen: Die Aufrechterhaltung der Systeme ist teuer, so verbraucht eine mittelgroße Bank etwa zwei Drittel ihres Digitalisierung-Budgets nur für die Herausforderungen, die durch die alte Code-Basis entstehen. Der Code besteht aus vielen unterschiedlichen Schichten, die nicht nach heutigen Standards dokumentiert wurden. Das Ergebnis ist ein Spaghetti-Code: Eine unübersichtliche Struktur mit vielen Verwirrungen, die keiner mehr überblicken kann. Die ursprünglichen Programmierer sind in der Regel schon lange in Rente, zusätzlich gibt es für alte Programmiersprachen wie Cobol fast keinen Nachwuchs. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Unternehmen unmöglich agil handeln.

  1. Zu einem neuen System wechseln

Statt beim alten System zu bleiben, könnten Banken das komplette System auf einen Schlag modernisieren. Das klingt nach einer logischen und praktikablen Lösung. Leider ist der Prozess durch die hohe Komplexität des Systems extrem aufwendig. Deshalb ist zunächst eine ausgeklügelte Strategie nötig. Was soll das neue System überhaupt können? Welche Architektur sollte es haben? Zudem ist der Prozess extrem teuer, so hat zum Beispiel die Apobank einen dreistelligen Millionenbetrag in den Wechsel investiert. Und die Umstellung ist langwierig – die Apobank hat mit Vorlauf rund vier Jahre gebraucht. Die Krux: Während dieser Umstellung tritt die Bank technologisch auf der Stelle. Innovationen sind unmöglich bis die Umstellung abgeschlossen ist.

  1. Schrittweiser Wechsel zu einem neuen System

Statt das komplette Kernbanksystem auf einmal umzustellen, können Banken ihre Dienste nach und nach zu einem neuen System verlagern. Im ersten Schritt können Banken zum Beispiel nur alle neuen Dienste auf Basis einer neuen Plattform entwickeln. Dabei können sie erste Erfahrungen mit dem neuen System machen. Wenn der erste Schritt erfolgreich verläuft, können Banken nach und nach nicht nur neue, sondern auch ihre bestehenden Dienste übertragen. Sobald alle Dienste auf dem neuen System laufen, kann das alte abgeschaltet werden. Dieser Prozess dauert ebenfalls mehrere Jahre, aber durch den modularen Aufbau moderner Systeme ist es günstiger und flexibler. Die Bank profitiert sofort von der Umstellung und verliert keine Zeit.

Gleichzeitig können Banken aus den besten Systemen auf dem Markt wählen, ohne dabei eine Abhängigkeit zu einem Anbieter zu entwickeln, denn die Module von verschiedenen Anbietern kommunizieren über Schnittstellen miteinander und sind dadurch in der Regel miteinander kompatibel – mit verhältnismäßig wenig manueller Arbeit.

Mehr als Technologie

Die digitale Transformation ist aber nicht allein ein technologisches Problem. Mindestens genauso wichtig ist die Unternehmenskultur, also die Menschen, die Struktur und der Führungsstil. Das ganze Unternehmen muss bei einer so tiefgreifenden Veränderung involviert sein, ein Projektteam reicht nicht aus. Dafür sind in allen Bereichen Führungspersönlichkeiten erforderlich, die sich mit dem Wandel auseinandersetzen, sich bestenfalls mit Technologie auskennen und eine gewisse Neugierde für neue Entwicklungen mitbringen. Neben den Eingriffen in die IT, müssen zum Beispiel alte Richtlinien überarbeitet werden. Häufig ist bei großen Finanzinstituten im Einkauf festgeschrieben, wie groß ein Dienstleister mindestens sein muss, damit die Bank mit ihm zusammenarbeiten darf oder es ist in einem Handbuch beschrieben, wie eine Technologie funktionieren muss. Wie die Kernbanksysteme stammen auch diese Richtlinien häufig aus einer anderen Zeit.

Über Vilve Vene

Vilve Vene ist CEO und Mitgründerin von Modularbank, einem neuen Fintech-Unternehmen aus Estland, das eine flexible Banking-Plattform anbietet. Seit mehr als 25 Jahren bringt Vilve Vene Technologie in die Finanzwelt. Lange bevor „Fintech“ ein gängiger Begriff wurde, entwickelte sie bereits innovative Finanztechnologie.