Weiterentwicklung zum Green Hospital

Eine selbstverständliche Notwendigkeit: „Das Krankenhaus von morgen muss grün sein“, kommentiert Prof. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen.

Die Zeit wird knapp: Als der Weltklimarat im April 2022 den 3. Teil seines 6. Sachstandsberichtes vorlegte, war die Kernaussage dieselbe wie beim ersten Bericht vor 32 Jahren: Die Weltgemeinschaft muss den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, wenn die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten erhalten bleiben sollen. Der entscheidende Unterschied: Das Zeitfenster wird immer kleiner, die erforderlichen Anstrengungen immer gewaltiger, die finanziellen Belastungen immer größer.

Spätestens ab 2025 müssen die Emissionen sinken, um das Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken. Angesichts der Tatsache, dass der globale Ausstoß an Treibhausgasen selbst in Zeiten von Wirtschaftskrisen bislang stetig gestiegen ist, droht die Gefahr, dass sich ein verhängnisvoller Fatalismus breitmacht.

Als Mediziner haben wir die besondere Aufgabe, beim Kampf gegen den Klimawandel Vorreiter und Wegbereiter zu sein. Nicht nur, weil das Wohlergehen der Menschen unsere Kernaufgabe und die Basis unserer Identität ist, sondern auch, weil wir bereits heute die unmittelbaren Folgen des Klimawandels feststellen. Der Klimawandel wird insbesondere in den Städten und für alte sowie geschwächte Menschen erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Am Beispiel Hitze lässt sich das gut festmachen. Die Zahl der Tage mit Temperaturen über 30 Grad nimmt zu, dies gilt auch für die sogenannten tropischen Nächte mit Temperaturen über 20 Grad, die die Regeneration und Erholung erschweren.


„Es ist höchste Zeit, dass sich die Medizin nicht nur aus moralisch-ethischen Motiven, sondern auch aus der Selbsterkenntnis eines relevanten CO2-Emittenten ihrer Aufgabe stellt.“

Prof. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen

Die Vorboten dieser Gefahr durch Hitze spüren wir bereits heute, ebenso wie die Folgen des Klimawandels insgesamt. Anders als noch 1990 angenommen, ist dies keine abstrakte theoretische Gefahr für unsere Enkel und Urenkel, sondern stellt schon heute eine große Bedrohung dar.

Wir können nicht mehr so tun, als hätten wir damit nichts zu tun. Vor allem die Medizin kann nicht so tun, als ginge sie das Thema nichts an, als wäre die Reduzierung von Treibhausgasen alleinige Aufgabe der üblichen Verdächtigen, der Automobilindustrie, der Energieerzeuger, der chemischen Industrie.

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Es ist höchste Zeit, dass sich die Medizin nicht nur aus moralisch-ethischen Motiven, sondern auch aus der Selbsterkenntnis eines relevanten CO2-Emittenten ihrer Aufgabe stellt: Im Tagesgeschäft Energie einzusparen und Ressourcen zu schonen. Nach Berechnungen der NGO „Health Care Without Harm“ emittiert das Gesundheitswesen weltweit mehr als etwa der Flugverkehr oder die Schifffahrt. Allein in Deutschland sind es jährlich rund 57,5 Tonnen an CO2-Ausstoß. Das macht 5,2 Prozent der gesamten nationalen Emissionen aus.

Wir stehen in der Pflicht, schnell, entschlossen und strategisch klug zu handeln, schon aus ureigenem Interesse. Denn nur in einer intakten Umwelt können Menschen gesund werden und gesund bleiben. Die Antwort der Universitätsmedizin Essen auf diese große Aufgabe ist die Zielprojektion des Green Hospitals.

Was steckt dahinter? Schon 2015 haben wir uns auf den Weg zum digitalisierten Smart Hospital gemacht. Das übergeordnete Ziel ist es, die Menschen wieder verstärkt in den Mittelpunkt unseres Handelns als Gesundheitsversorger rücken – unsere Patientinnen und Patienten ebenso wie unsere 10.500 Beschäftigten. Dieses Ziel haben wir durch klare Strukturen und Organisationsprozesse im Konzern verankert. So haben wir etwa die Position einer Digital Change Managerin geschaffen, die heute Chief Transformation Officer ist und unsere Stabsstelle für Digitale Transformation leitet. Zugleich haben wir alle Mitarbeitenden dazu aufgerufen, sich aktiv am Transformationsprozess zu beteiligen, indem sie Digitalisierungspotenziale in ihrem Arbeitsfeld aufzeigen und die dafür notwendige Prozessoptimierung und Digitalisierung begleiten.

Wichtige Meilensteine haben wir mittlerweile bewältigt. Durch digitale Prozesse und unsere elektronische Patientenakte kann das Pflege- und medizinische Personal von sich wiederholenden administrativen Routineaufgaben entlastet werden, sodass mehr Zeit für die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten bleibt. Ein digitales Service- und Informationscenter kanalisiert Anrufe von Patientinnen und Patienten, gibt erste Ratschläge und verbindet sie mit dem richtigen Ansprechpartner. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz gehört mehr und mehr zum medizinischen Alltag, nicht nur in der Diagnostik, wo wir etwa das Knochenalter radiologisch bestimmen, den Grad von Metastasierung vorhersagen, bestimmte Lungenkrankheiten diagnostizieren, eine KI-unterstütze Bewertung des Augenhintergrundes vornehmen und KI zur Erkennung seltener Krankheiten einsetzen.

Vom digitalem zum grünen Krankenhaus

Jetzt gehen wir den nächsten logischen Schritt – die Weiterentwicklung zum Green Hospital. Dazu haben wir – abgeleitet aus dem Prozess der Digitalisierung – zunächst die Position eines Klimamanagers geschaffen, der sämtliche Aktivitäten im Unternehmen koordiniert. Eine Arbeitsgruppe „Team Green“ sowie 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte aus allen Bereichen und Standorten der Universitätsmedizin Essen arbeiten ihm zu. Sie sollen in ihrem Arbeitsumfeld Umweltschutz-Maßnahmen identifizieren, initiieren und vorantreiben. Keine Mega-Projekte, sondern die Summe zahlreicher Maßnahmen führt zu konkreten ökologischen Erfolgen, wie sie auch in unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht beschrieben sind. (www.jahresberichte.ume.de)


„Keine Mega-Projekte, sondern die Summe zahlreicher Maßnahmen führt zu konkreten ökologischen Erfolgen, wie sie auch in unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht beschrieben sind.“

Prof. Jochen A. Werner

Wir stellen beispielsweise sukzessive auf Ökostrom um. Beim Thema Mobilität setzen wir auf die Förderung des ÖPNVs und des Fahrrads als Verkehrsmittel. Hierzu gehören die Schaffung neuer Parkmöglichkeiten und künftig die Möglichkeit eines Leasingangebots für Diensträder. Auch der Fuhrpark wird nach und nach auf E-Mobilität umgestellt. Beim Thema Ernährung geht es durch nachhaltige Projekte um das Vermeiden von Speiseresten und die Förderung einer gesünderen und nachhaltigen Küche für Mitarbeitende, Patientinnen und Patienten. Wichtig war auch die Umstellung auf Mehrwegprodukte für To-Go-Essen.

Als Krankenhaus und Maximalversorger haben wir ohnehin einen hohen Anteil an medizinischen Einweg-Produkten und entsprechenden Verpackungen. Hier ist ein effizientes, müllvermeidendes Abfallmanagement ein zentraler Aspekt. Aktuell prüfen wir intensiv die Installation von Photovoltaikanalagen und Dachbegrünung für Neu- sowie bestehende Bauten. Weitere Projekte in unserer Nachhaltigkeitsinitiative sind die Förderung der Biodiversität durch das Pflanzen einer Wildblumenwiese sowie das Recycling umweltschädlicher Narkosegase aus dem OP-Bereich. Die Vielzahl der Handlungsfelder zeigt: Es gibt viele Stellschrauben und Möglichkeiten, um eine Klinik nachhaltig auszurichten.

Wir spüren, wie sich der vergleichsweise hohe Digitalisierungsgrad der Universitätsmedizin Essen auch und gerade positiv beim Umweltschutz auswirkt. Digitalisierung schafft nicht nur Freiräume für eine bessere Krankenversorgung und entlastet die Beschäftigten: Sie ist auch das Rückgrat eines klimafreundlich arbeitenden Krankenhauses. Der Weg bis dahin ist noch lang: Aber die ersten, häufig so schweren Schritte sind längst gemacht. Digitalisierung und De-Karbonisierung gehören an der Universitätsmedizin Essen jedenfalls fest zusammen.

Über Prof. Jochen A. Werner

Jochen A. Werner hat Medizin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel studiert. 1987 promovierte er und begann seine Tätigkeit als Arzt und Wissenschaftler der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie des Universitätsklinikums Kiel. 1993 Habilitation und 1995 Ernennung zum leitenden Oberarzt der Kieler Universitäts-HNO-Klinik. 1998 wurde Jochen A. Werner Professor und Direktor der Marburger Universitäts-HNO-Klinik und war von 2004 bis 2006 auch Prodekan der Marburger Medizinischen Fakultät. Von 2011 bis 2015 war er hauptamtlicher Ärztlicher Geschäftsführer der Universitätsklinik Gießen und Marburg (UKGM GmbH). Ebenfalls 2011 Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Zusätzlich übernahm Werner 2014 und 2015 die Rolle des Sprechers im Medical Board der UKGM Mutterkonzerns Rhön-Klinikum AG. Seit 2015 widmet sich Jochen A. Werner in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen der Digitalisierung im Gebiet der Medizin und der Transformation der Universitätsmedizin in ein Smart und Green Hospital.

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