Von Krisztián Kurtisz

Was haben Banken und Versicherungen gemeinsam? Erstens: Beide Branchen kontrollieren gigantische Kapitalströme und bestimmen mit ihren Investitionen die Entwicklungen von morgen. Zweitens: Beide Branchen haben es versäumt, die Geschäftsmodelle und die Art des Wirtschaftens auf eine soziale und umweltverträgliche Basis zu stellen. Während die Finanzbranche immerhin durch die Börsen- und Finanzcrashs der letzten Jahre und Jahrzehnte etwas wachgerüttelt wurde und zögerlich ihre Geschäftsmodelle anpasste, haben Versicherungen größtenteils kaum bis gar nicht auf den Wandel reagiert. Der Branche wird deshalb bei der Umsetzung Halbherzigkeit attestiert.

Derweil die traditionellen Konzerne schlafen, blasen Insurtechs und Fintechs zum Angriff und wirbeln den Markt kräftig durcheinander. Denn viele diese Player wollen Nachhaltigkeit in ihr Wirtschaften einbeziehen. So ist die Anzahl an sozialen Fintechs ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Auch Insurtechs werden immer grüner und nachhaltiger. Warum das so ist, hat dabei diverse Gründe.

1. Die Fintech- und Insurtech-DNA: gegründet, um zu verändern

Ein Grund für den Wunsch nach einer besseren Welt liegt in der Finanzkrise des Jahres 2009. Mit diesem Ereignis war das Vertrauen in klassische Finanzinstitutionen stark gesunken. Als die Banker der Lehmann-Brothers in weißen Hemden und schwarzen Krawatten ihre Büroutensilien in braunen Pappkartons ins Taxi trugen, war dies das symbolische Zeichen, dass bald eine neue Ära des Wirtschaftens heranbrechen würde. Der Effekt: Das Vertrauen in eine ganze Berufsgruppe wurde nachhaltig beschädigt.

Mit der zunehmenden Digitalisierung, rapide wachsenden Bandbreiten und einem Smartphone in fast jeder Hosentasche sind alternativen Finanzdienstleister und technologisierte Versicherungsanbieter angetreten, dieses Vakuum zu füllen und Sachen anders zu machen als die traditionellen Konzerne. Und dazu gehört eben auch, den Trend nach immer größerem Profitstreben zu hinterfragen. Da auch Insurtechs mit dem Geld der Versicherten arbeiten und Geldströme verwalten, sind sie in ihrer DNA den Fintechs gar nicht so unähnlich. Natürlich wollen sowohl Fintechs als auch Insurtechs auch Geld verdienen, doch die Frage danach, wie sie die Welt besser machen können, gehört bei vielen zur DNA.

2. Konsumenten verlangen mehr Nachhaltigkeit – und die Mitarbeiter der Fintechs ebenso

Mit der Generation Z (geb. zwischen 1995 und 2010) drängt eine Konsumenten-Generation auf den Markt, die Nachhaltigkeit und soziales Engagement konsequenter denkt und antreibt als noch die Generationen vor ihr. Die GenZ fordert neue Wege der politischen Teilhabe. Nicht zufällig entstand die Friday for Future Bewegung aus Schülerinnen und Schülern dieser Generation. Sie sind viel stärker dialog- und problemlösungsorientiert, suchen pragmatische Wege, um die Welt zu verbessern.

Jeff Fromm, Autor beim Forbes-Magazin und Journalist im Bereich Millenial Marketing, formuliert es auf den Punkt: “When it comes to high-performing brands, purpose is an action, not a declaration” (“Bei starken Marken ist Sinn gleich Handeln und keine Absichtserklärung”). Für Fintechs, die insbesondere diese Zielgruppe ansprechen, ist es daher absolut notwendig, den sozialen und nachhaltigen Aspekt in ihre Produkte und Dienstleistungen zu berücksichtigen. Ein „weiter so“ ist keine Option. Zumal auch in der DNA der Startups dieses Streben tief verwurzelt ist, denn schließlich
treiben allein von der Altersstruktur her Millenials und GenZ-ler als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit der Fintechs und Insurtechs an – im Gegensatz zu den traditionellen Bank- und Versicherungskonzernen, wo in den Chefetagen weiterhin die wichtigen Entscheidungen meist von älteren Herren in Anzügen getroffen werden.

3. Die Corona-Pandemie fordert ein Umdenken

Die Bankenkrise erschütterte das Vertrauen in die Banken. Die Corona-Pandemie erschütterte das Vertrauen in die Tatsache, dass unser Leben und unsere Gesundheit sicher sind. Alles kann sich von einem Tag auf den anderen ändern. Und gerade in dieser Zeit ist es wichtiger denn je, füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen. Viele Fintech- und Insurtech-Unternehmen haben bewiesen, dass Geld verdienen und etwas Gutes tun zwei Dinge sind, die sich nicht gegenseitig ausschließen müssen.

Dass Covid-19 auch das Hinterfragen unseres bisherigen Lebensstils befeuerte, zeigt auch eine aktuelle Deloitte-Umfrage. Dort geben drei Viertel der Befragten GenZ-ler an, dass sie durch die Pandemie mehr Sympathie gegenüber anderen Menschen entwickelt haben und darüber hinaus vorhaben, sich konkret in Zukunft stärker für die Gemeinschaft einzusetzen.

Große Investmentfirmen wie Blackrock handeln bereits und erwarten von den Unternehmen in ihrem Portfolio grüne Strategien. Wie bereits erwähnt, haben selbst traditionelle Konzerne die Notwendigkeit erkannt und planen einen Kurswechsel hin zu nachhaltigerem Wirtschaften. Doch allein durch ihre Größe dauert es meist lange, die Vorhaben umzusetzen. Fintechs und Insurtechs können auch hier ihren Agilitätsvorteil nutzen und ihr Geschäftsmodell viel schneller anpassen und den sozialen und ökologischen Faktor rascher integrieren als das klassische Banken- und Versicherungswesen.

Fazit:
Schon lange sehen wir, wie sehr die Digitalisierung unsere Art, wie wir leben und arbeiten, geprägt hat. Fintechs und Insurtechs gehen jetzt quasi den nächsten Schritt und implementieren Nachhaltigkeit und soziales Engagement in ihr Wirtschaften. Bereits zur Bankenkrise waren viele Unternehmen angetreten, um das bisherige System zu hinterfragen und es besser zu machen als die Konzerne der Vergangenheit, die mit ihrem Profitstreben gescheitert sind.

Die Corona-Pandemie wird das Umdenken weiter befeuern. Dass andere Produkte und eine andere Art zu wirtschaften notwendig sind, bedingt auch die Nachfrage. Der junge Kundenstamm will nicht etwa Profitmaximierung, sondern kauft durch seine Nutzung eines modernen, nachhaltigen und sozialen Versicherungs- und Finanzprodukts ein Stück Identität. Auch weil erfahrungsgemäß genau diese junge Zielgruppe zu den Mitarbeiterinnen und Mitrarbeitern der Fintechs und Insurtechs gehört und dort wichtige Entscheidungen trifft, haben sie einen eigenen Anreiz, den Weg in eine digitale, soziale und nachhaltige Zukunft zu ebnen.

Über den Autor

Krisztián Kurtisz arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Versicherungsbranche. Seit 2016 ist er CEO von UNIQA in Ungarn. 2018 hat er CHERRISK gegründet. Seitdem beschäftigt er sich mit der Frage: Wie können wir als Vertreter einer Branche, die auf jahrhundertealten Traditionen beruht, im Bereich der Innovation mit Start-ups konkurrieren?

CC BY-ND 4.0 DE

 

 

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