Vom Start-up lernen…
Die deutsche Wirtschaft verharrt zu sehr in ausgedienten Handlungsmustern.
Dieses Manko identifizierten drei Fünftel der Experten, die im Zuge der sechsten Phase der Zukunftsstudie „Digitalisierung. Achillesferse der deutschen Wirtschaft? Wege in die digitale Zukunft“ des Münchner Kreises befragt wurden. Neue Wege und Methoden sind gefragt, um den digitalen Wandel erfolgreich meistern zu können. Unternehmen müssen lernen, sich neu zu erfinden, müssen branchenübergreifend kooperieren, auch mal den Mut zur Selbstkannibalisierung haben, heißt es im Papier. Ein Weg kann sein, wie ein Start-up („Lean Start-up“) denken zu lernen. Dieses verbindet den Vorteil einer schlanken Organisationsstruktur oft mit der Schaffung vielfältiger kreativer Freiräume, was das innovative Entwicklungspotenzial der Mitarbeiter stark befeuert.
Auch bei der Softwareentwicklung genügen die althergebrachten Verfahren, die nach dem Prinzip „Plan – Build – Run“ funktionierten, den modernen Ansprüchen oft nicht mehr. Sie sind zu statisch, können mit dem Prozess der Digitalisierung nicht mithalten. Denn die Geschäfts-, Arbeits- und Entwicklungsprozesse wandeln sich stetig, sind nie fertig. Es muss daher zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass einmal eingesetzte Software mit dieser Entwicklung Schritt halten, also immer und mit möglichst geringem Aufwand an die sich ändernden Prozesse angepasst werden kann.
Der Gegenentwurf zu den traditionellen Verfahren heißt agile Softwareentwicklung. Laut Duden bedeutet agil flink, wendig und beweglich, was im Prinzip schon alles aussagt. Man möchte sich bei der agilen Softwareentwicklung mehr auf die zu erreichenden Ziele konzentrieren und auf technische und soziale Probleme eingehen, heißt es bei Wikipedia. Der Softwareentwicklungsprozess solle flexibler und schlanker werden, weniger bürokratisch. „Agilität aber nur auf die Entwicklung zu beziehen, wäre zu kurz gedacht“, warnt Michael Hochgürtel, Vorstand der sich seit nunmehr zehn Jahren mit der agilen Softwareentwicklung beschäftigenden codecentric AG: „Die kontinuierliche Bereitstellung (Continuous Delivery) neuer und getesteter Funktionen ohne Betriebsunterbrechung ist das Ziel. Dazu müssen neben der Entwicklung mindestens auch die Fachbereiche und der IT-Betrieb mit einbezogen werden.“ Unterstützt werde der Prozess durch mittlerweile zur Verfügung stehende wirkungsvolle Tools, z. B. zur Automatisierung von Tests und für das Deployment. Zudem begännen die Hürden zwischen den Bereichen zu schrumpfen, was eine effizientere Entwicklungsarbeit möglich macht.
Auch Michael Hochgürtel empfiehlt in diesem Zusammenhang den codecentric-Kunden, im Sinne von Lean Start-ups vorzugehen und dafür „eine Umgebung zu schaffen, bei der Ideen schnell umgesetzt und im Markt getestet werden, und das durchaus auch mit der Chance zu scheitern!“ Einwände wie hohe Hard- und Softwarekosten lässt er dabei nicht gelten, da sich u. a. dank Cloud-Technologien und sehr mächtiger Open-Source-Produkte ideale Voraussetzungen für diesen Ansatz böten. Vom großen Erfolg ist auch er immer wieder überrascht: „Erstaunlich für mich ist, wie viele unserer Kunden diesen Weg gehen und dabei bereit sind, sich von starren und teuren Standardlösungen zu trennen.“