Solarenergie – Chance für Subsahara-Afrika
Dr. Moritz Isenmann beschreibt die Potenziale der Elektrifizierung von Subsahara-Afrika. Da die Stromkosten durch den Wirkungsgrad dieser Anlagen dort vergleichsweise gering sein dürfte, spielt das als Grundlage für die lokale Wirtschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Weltweit haben rund 733 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität, mehr als zwei Drittel davon leben in Subsahara-Afrika. Höchste Zeit etwas dagegen zu tun – wie es das siebte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goal, kurz SDG 7) fordert.
Die Finanzierung von „Off-grid-Solaranlagen“ ermöglicht eine erschwingliche und zuverlässige Energieversorgung und entfaltet dabei gleichzeitig eine wichtige nachhaltige Wirkung. Als „Off-grid-Solaranlagen“ werden dezentrale, solarbetriebene Systeme bezeichnet, die unabhängig vom staatlichen Netz operieren. Neben dem Ziel, die von der Infrastruktur abgeschnittenen Bevölkerungsgruppen mit Strom zu versorgen, erleichtert die Elektrifizierung auch wirtschaftliches Handeln und kann Arbeitsplätze schaffen. Schon auf dem Weltenergiekongress 2013 sagte der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: „Energie ist der goldene Faden, der Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet“.

Solarenergie mit Potenzial
Afrika hat das weltweit größte Solarenergiepotenzial, jedoch wird die gute Verfügbarkeit nicht in allen Regionen ausgeschöpft. Und das ist nicht nur in den afrikanischen Ländern der Fall. Ein Bericht des Energy Sector Management Assistance Program (ESMAP) aus 2020 zeigt, dass 93 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern leben, die über ein durchschnittliches Photovoltaik-Potenzial von 3 bis 5 Kilowattstunden (kWh) pro installiertem Kilowattpeak (kWp) am Tag verfügen.
In Subsahara-Afrika steht das hohe Potenzial für Solarenergie in starkem Kontrast zu der bislang installierten Photovoltaik-Kapazität, die in allen 48 Ländern der Region zusammen weniger als ein Prozent der weltweit installierten Leistung ausmacht. Den Angaben des Global Solar Atlas zufolge besitzt Deutschland ein praktisches Photovoltaik-Potenzial von 2,96 kWh/kWp und liegt im internationalen Vergleich auf Platz 197. Das praktische Potenzial (auch umsetzbares oder erschließbares Potenzial) berücksichtigt alle relevanten Randbedingungen, insbesondere rechtliche (inkl. Naturschutz), ökonomische (inkl. Infrastruktur), soziologische (inkl. Akzeptanz), und beispielsweise konkurrierende Nutzung (z.B. Solarthermie und PV auf Dächern). In Sambia (Platz 35) liegt das praktische Photovoltaik-Potenzial bei 4,83 kWh/kWp. In Ländern wie Sambia, wo weniger als die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität hat, kann bereits ein relativ geringer Zubau helfen, den bestehenden Bedarf zu decken.
Hinzu kommen die sinkenden Stromgestehungs– und Materialkosten für Photovoltaik durch den technologischen Fortschritt in den letzten Jahren, die das praktische Potenzial für Solarenergie in den Ländern Subsahara-Afrikas aufzeigen. Wie die Internationale Energiebehörde IEA in ihrem jüngsten „Africa Energy Outlook“ vom Juni 2022 schreibt, sind in den meisten Teilen Afrikas effiziente Solaranlagen bereits jetzt günstiger als neue Gas- und Kohlekraftwerke. Und dieser Trend wird sich im kommenden Jahrzehnt noch verstärken.
Elektrifizierung geht mit Nachhaltigkeit einher
Durch die fehlende und unzuverlässige Stromversorgung und dem Mangel an sauberen Energiequellen ist die Bevölkerung in Subsahara-Afrika gezwungen, auf Dieselgeneratoren zurückzugreifen, die sowohl der Gesundheit der Menschen als auch der Umwelt schaden. Nach Berechnungen der International Finance Corporation (IFC) werden in Subsahara-Afrika rund 6,5 Millionen Generatoren mit einem CO2-Gesamtausstoß in einer Größenordnung von 120 Kohlekraftwerken betrieben.
20 % des verbrauchten Diesels / Benzins wird durch die sogenannten „Back-up generator sets“ verbrannt. Diese bestehen aus einem Motor und einem Diesel- oder Gasgenerator und bieten die Möglichkeit einer netzunabhängigen Stromlieferung. Der CO2-Ausstoß entspricht 20 % der Emissionen aller Fahrzeuge. Verschärfen wird sich die Situation durch das starke Bevölkerungswachstum: Bis 2050 dürfte es 1 Mrd. Menschen mehr in Subsahara-Afrika geben, was 50 % des globalen Bevölkerungswachstums entspricht. (IFC (2019), The Dirty Footprint of the Broken Grid. The Impacts of Fossil Fuel Back-up Generators in Developing Countries; 2. United Nations (2019), World Population Prospects 2019.)
Der Verzicht auf eine klimaschädliche Energiequelle durch den Umstieg auf „Off-grid-Systeme“ hat einen großen ökologischen Nutzen. Die Kostenersparnis durch den Ersatz teurer Energiequellen (Diesel, Kerosin etc.) reduziert außerdem das finanzielle Risiko bei der Anschaffung der Technik. Die Elektrifizierung in der ländlichen Bevölkerung in Subsahara-Afrika ist somit nicht nur wichtig für die ökologische Nachhaltigkeit (SDG 13), sondern auch für Wirtschaftswachstum (SDG 8) und soziale Gerechtigkeit (SDG 16) in der Region.
In der Landwirtschaft wird Strom benötigt, um Maschinen und Bewässerungssysteme anzutreiben. Ohne Stromversorgung sind Landwirte von den Vorteilen einer modernen Landwirtschaft ausgeschlossen, zu denen u. a. Ertragssteigerungen und -sicherheit, die intensivierte Bewirtschaftung, Produktivität und sinkende Arbeitskosten zählen. Auf dem Land sind aber auch viele Mikro- und Kleinunternehmer:innen (Micro, Small and Medium Enterprises, kurz MSME) in unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie Einzelhandel, Dienstleistungen, Bau, Verarbeitung oder Handwerk tätig. Gerade im Bauwesen, der Verarbeitung und im Handwerk ist der Zugang zu zuverlässiger Elektrizität wichtig, um Maschinen mit der notwendigen Antriebskraft auszustatten. Kleine Geschäfte und Imbisse benötigen verlässliche Beleuchtung und Kühlmöglichkeiten.
Effektiv und kostengünstig ist insbesondere in weniger dicht besiedelten Gebieten der Einsatz von dezentralen Systemen wie Solar Home Systems und solarbetriebenen Einzelgeräten (Wasserpumpen, Getreidemühlen, Kühlhäuser etc.). Für „Off-grid“-Systeme konnten in der Vergangenheit Produktivitäts- und Wohlstandsgewinne aufgezeigt werden. Diese reichen von kleinen Einzelgeräten wie solarbetriebenen Lampen für den Hausgebrauch mit einer Leistung von wenigen Watt bis hin zu sogenannten „Mini-grids“, unabhängigen Inselnetzen mit einer Kapazität von bis zu 100 kWp. Moderne „Mini-grids“ sind ausreichend leistungsfähig, um ganze Dörfer und Gemeinden zu elektrifizieren.
Solarenergie braucht dringend Finanzierung
Thomas Edison fasste seine Überzeugung von Sonnenenergie wie folgt zusammen: „I’d put my money on the sun. And solar energy. What a source of power! I hope we don’t have to wait until oil and coal run out before we tackle that”. Wir sollten nicht warten, bis uns Öl und Kohle ausgehen, bevor wir die gewaltige Kraft der Solarenergie nutzen! Die Elektrifizierung in Subsahara-Afrika benötigt jedoch zusätzliche private Finanzmittel. Aufgrund der begrenzten öffentlichen Mittel waren bei der Finanzierung der Verbreitung von „Off-grid“-Systemen neben staatlichen von Anfang an auch private Akteure involviert. Der Grund dafür liegt in der geringen Bevölkerungsdichte, die einen Ausbau des staatlichen Stromnetzes teuer macht. Viele Regierungen scheuen die dafür notwendigen Ausgaben. Dadurch werden die Chancen der ländlichen Bevölkerung auf eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und Bildung sowie auf eine Steigerung des Einkommens durch die Aufnahme oder die Verbesserung produktiver Tätigkeiten stark eingeschränkt.
Investoren haben die Möglichkeit über spezielle Anlageformen die Finanzierung von Off-Grid Anlagen zu ermöglichen. Impact Investing kommt folglich eine wichtige Rolle bei der Elektrifizierung Subsahara-Afrikas zu. Denn die Finanzierung von „Off-grid“ Systemen leistet letztlich einen Beitrag zum Schließen der Elektrifizierungslücke in Subsahara-Afrika und somit zum Erreichen von SDG 7 („Saubere Energie für alle“).
Über den Autor:
Dr. Moritz Isenmann ist Senior Impact and Sustainability Manager bei Invest in Visions und von Haus aus Historiker. Während seiner universitären Laufbahn hat er sich insbesondere mit vormoderner Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftsethik auseinandergesetzt. Seine Promotion erfolgte 2008 am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, 2016 wurde er an der Universität zu Köln im Fach Neuere Geschichte habilitiert.
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