Proaktives Master Data Management

Proaktiv oder reaktiv? Master Data Management in der Organisation verankern

Wer Master Data Management (MDM) im Unternehmen vorantreiben und etablieren möchte, steht vor einer Reihe Entscheidungen. Die strategische Aufhängung des Themas in der Organisation, die Zuweisung von Zuständigkeiten und die Ausgestaltung der Anlage- und Korrekturprozesse für sämtliche Unternehmensdaten gilt es zu definieren.
Im Interview mit Herrn Dr. Brockmann, Gründer der innoscale AG, erfahren Sie mehr zu den Ausgestaltungsvarianten.

Herr Dr. Brockmann, welche Strukturen sind nötig, damit MDM funktioniert?

„Der Schlüssel zur nachhaltigen Datenqualität ist zweifellos ein proaktiver (Vermeidungs-)Ansatz.
Dr. Tobias Brockmann

Zu Beginn des MDM-Projekts kommt es ganz darauf an, wie weit die MDM-Reife eines Unternehmens ist. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Gab es bereits Voranalysen oder Data-Governance-Richtlinien? Eventuell existieren bereits erste Regeln zur Neuanlage oder Korrektur von Daten. Mitunter wurden bereits Ansprüche an die Datenqualität formuliert. Dann ist es nötig zu evaluieren, wie weit das Know-How zum Stammdatenmanagement im Unternehmen schon aufgebaut ist. Und schließlich muss eine Grundsatzentscheidung dazu gefällt werden, wie MDM organisatorisch im Unternehmen aufgehängt werden soll. Dafür gibt es zwei klassische Modelle: zentral oder dezentral.

Der zentrale Ansatz zeichnet sich durch zentrale Anlageprozesse und Pflegeprozesse aus. Häufig ist das MDM-Team ein größer. Einer unserer Kunden beschäftigt beispielsweise zwölf Mitarbeiter in der MDM-Abteilung. Deren Zuständigkeiten sind in Teilbereiche aufgeteilt: Materialwirtschaft, Kreditoren, Debitoren, Instandhaltungsdaten, usw.

Der dezentrale Ansatz beinhaltet eine steuernde MDM-Service-Einheit, die Vorgaben definiert, Prozesse ausgestaltet und Regeln aufbaut. Diese werden dann über ein Rollenkonzept, bestehend aus MDM-Ownern, Data Stewards und Data Producern.

Data Stewards übernehmen für einen bestimmten Teil der Unternehmensdaten die Qualitätssicherung und die Kontrolle über die Einhaltung von Data-Governance-Vorgaben. Sie kommen zwingend aus den Fachabteilungen und sind in den gesamten MDM-Prozess bestmöglich zu integrieren. Data Producer sind mit der Neu-Anlage und Pflege von Daten betraut.

Wer verfügt über das nötige MDM-Know-How im Unternehmen?

Es gibt kein eigenes Berufsbild der MDM-Experten. Häufig handelt es sich um ehemalige Datenanalysten oder Personen, mit SAP-Erfahrung. Ich treffe in der Regel Heads of Master Data Management oder Leiter Stammdatenmanagement, die zuvor als Data Producer Stammdaten in den Systemen gepflegt haben und dann in die leitende Rolle aufgestiegen sind.

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass Stammdatenmanagement ein IT-Thema ist und die entsprechende Abteilung deshalb an die IT anzugliedern sei. Meine klare Position dazu ist, dass MDM ein fachliches Thema ist und es deshalb am besten zu bearbeiten ist, wenn es als eigenständige Abteilung existiert oder aber an die Fachabteilungen angebunden ist. Trotzdem gilt: Es geht nicht ohne die IT – je enger die Zusammenarbeit desto besser. Die Aufgabe der IT sehe ich darin, die Software zu betreiben, Server zur Verfügung zu stellen und bei der Schnittstellen-Integration zu unterstützen.

Wie läuft der Start eines MDM-Projekts ab?

Wenn alle Ressourcen bereitstehen, starten wir das Projekt mit folgenden Fragen:

  • Welche Systeme gibt es?
  • Welche Datenbanken sind darunter?
  • Wie hängen die Systeme jetzt schon zusammen?
  • Welche Datenfelder sind relevant für die Messung der Datenqualität?
  • Welchen Kriterien sind maßgeblich für die Messung der Datenqualität?

Das ist das IST-Bild. Häufig ist es bei unseren Kunden bereits vorhanden und wir können darauf zurückgreifen. Dabei lässt sich sehr viel über die Organisation lernen. Wir sprechen über Abhängigkeiten, Geschäftsprozesse und erfahren, wer für was zuständig ist.

Im nächsten Schritt entwerfen wir dann das SOLL-Bild. Wir klären, ob unsere MDM-Software sich einfach über die aktuelle Systemarchitektur legen soll oder in das gesamte Szenario zu integrieren ist. Die wichtigste Entscheidung, die dahintersteht, betrifft die Data-Governance-Prozesse. Diese Prozesse umfassen die Anlage von Stammdaten, deren Änderung sowie die sogenannten redaktionellen Prozesse. Gemeinsam mit den Kunden entscheiden wir, ob Änderungen an der Data Governance vorzunehmen sind, z.B. Änderungen an dem Datenmodell oder an den Regeln zur Messung der Datenqualität.

Wie funktioniert die Verbesserung der Datenqualität in der Praxis?

Ein reaktiver Ansatz bedeutet, dass weitestgehend alles beim Alten bleibt. Wir prüfen die Qualität der vorhandenen Daten und verbessern sie entweder im Quellsystem oder in unserem Software-Tool und spielen sie dann zurück.

Der proaktive Ansatz zielt darauf ab, neue Datenfehler zu vermeiden, indem die Neuanlage und Korrektur ab einem bestimmten Zeitpunkt im Projekt nur noch über die MDM-Software erfolgen. Der Schlüssel zur nachhaltigen Datenqualität ist zweifellos ein proaktiver (Vermeidungs-)Ansatz: Fehleingaben vermeiden, sämtliche Änderungs- und Anlageprozesse über das MDM-Tool abbilden und so die Mitarbeiter entlasten. Der proaktive Ansatz ist aber aufwändig, bedarf organisatorischer Anpassungen und benötigt eine entsprechende Software-Unterstützung. Daher starten viele Unternehmen zunächst mit einem reaktiven Ansatz und bauen im Laufe der Zeit schrittweise ein proaktives Szenario darauf auf.

Und schließlich kann es losgehen mit der Bereitstellung von Servern, Installation der Software und Integration der Datenbanken. Wir beginnen zumeist mit einem einzelnen Datenbereich – je nach Priorität unserer Kunden: Debitoren, Kreditoren, Materialstämme oder einzelnen Produktgruppen aus dem Materialstamm. Eine Pilotierung zeigt dann, ob die erarbeiteten Konzepte und Software-Tools den gewünschten Erfolg bringen.


Das Gespräch führte Nadja Schröder, Marketing Managerin bei der innoscale AG.

 

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