„Nachhaltigkeit hat auch eine ökonomische Dimension“

Die Redaktion sprach mit Tobias von der Heydt, Teamkoordination Beratung und Planung über die Dimension „Nachhaltigkeit“ bei Rechenzentren.

Im Prinzip kann ich alles aus der Cloud beziehen. Wem empfehlen Sie ein eigenes Rechenzentrum mit – beinahe notwendigerweise eigenen Cloudlösungen?
Hier sollte man sich zunächst die benötigten IT-Services und genutzten Anwendungen genau ansehen und anhand verschiedener Kriterien kategorisieren. Entsprechende Fragestellungen können hier sein:

  • Welche Daten benötige ich vor Ort?
  • Wie sind die Datenströme und Anforderungen an Latenzen?
  • Welche Daten sind z.B. für Produktionsprozesse kritisch?

Auch hier ist die Welt nicht schwarz-weiß, sodass sich in den meisten Fällen eine hybride Lösung aus verschiedenen Bereitstellungsarten ergeben wird. Manche Services, wie z.B. Office, Mail oder CRM können am besten, d.h. sicher, flexibel und kostengünstig, von einem Cloud-Anbieter bezogen werden. Andere Anwendungen können ggf. gut in lokalen (Stichwort EDGE) Rechenzentren bereitgestellt werden. Daten und Anwendungen für produktionsnahe Prozesse, welche häufig latenzkritisch sind und große Datenmengen transferieren, müssen nach wie vor lokal bereitgestellt werden. Die Art und Anteile der verschiedenen Bereitstellungsmethoden kann dabei von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein und hängt von deren Tätigkeit, Struktur und Geschäftsmodell ab. Um die Frage zu beantworten, ist also eine genaue Analyse unter Beteiligung verschiedener Bereiche, wie IT- Prozess- und Facility-Verantwortliche, notwendig, welche durch entsprechende Experten zielgerichtet unterstützt werden können.

Rechenzentren werden also fast notwendigerweise „urban“. Wie können diese sich dann nahtlos ins Stadtbild einfügen?
Je nachdem, ob es sich um ein unternehmenseigenes Rechenzentrum in dessen Gebäuden oder um ein Dienstleistungsrechenzentrum – unabhängig davon, ob es sich um Cloud, Housing oder Colocation handelt – können sich diese auf unterschiedliche Weise, aber effektiv in ein urbanes Umfeld einfügen. Im Falle eines Unternehmensrechenzentrums kann der Anwender dies in seine Gebäudestruktur und seine technischen Anlagen integrieren. Dabei sind natürlich zunächst die einschlägigen Sicherheitsstandards für Rechenzentren, z.B. in Bezug auf Zugangs- und Brandschutz, zu berücksichtigen. Bei der technischen Ausstattung betrifft dies vor allem die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie und Kühlung. Letztere sollte in Form einer Weiterverwendung der, durch das Rechenzentrum entstehenden, Abwärme genutzt werden, um den Wärmebedarf des Gebäudes ganz oder teilweise zu decken. Dies ist nicht nur gut für die Umwelt, da die Wärme nicht, ggf. sogar durch fossile Energieträger, zusätzlich erzeugt werden muss, sondern spart auch noch „ordentlich“ Betriebskosten.
Größere Rechenzentren, die ihre Leistungen im urbanen Umfeld anbieten, können in gleicher Weise in die Energiekreisläufe einer Stadt, eines Viertels oder Quartiers eingebunden werden. Dabei ist es sinnvoll bzw. notwendig, alle Beteiligten, wie RZ-Betreiber, Energieversorger und/oder Betreiber von Nahwärmenetzen, Behörden und Projektentwickler, etc. frühzeitig zusammen zu bringen, um eine ganzheitliche Lösung zu konzipieren, deren einzelne Bausteine gut aufeinander abgestimmt sind. Leider scheitern solche Vorhaben, welche technisch und wirtschaftlich durchaus realisierbar wären, aktuell zu oft immer noch an mangelnder Abstimmung oder organisatorischen und formellen Hürden.

Warum macht dann ein Blick auf verstärkte Nachhaltigkeitsbemühungen Sinn?
Wie bereits erwähnt, hat die Nutzung auf Nachhaltigkeit abgestimmter Konzepte – hier vor allem im energetischen Sinne, wie z.B. die Abwärmenutzung oder Verwendung regenerativer Energien – nicht nur einen, dadurch nicht minder wichtigen, Nutzen für die Umwelt, sondern auch eine ökonomische Dimension. Die nicht notwendigerweise höheren Investitionen in entsprechende Anlagen können nachweislich in immer kürzeren Zeiträumen durch Einsparungen bei den Betriebskosten ausgeglichen werden, sodass auf die gesamte Lebensdauer eines Rechenzentrums häufig erhebliche Kostenvorteile entstehen. Dies wird aktuell zusätzlich durch die immer weiter steigenden Energiepreise begünstigt. Flankiert wird dies auch durch ein zunehmendes Bewusstsein der Gesellschaft für eine nachhaltigere Lebensweise und Wirtschaft, was sich auch in politischen Entwicklungen widerspiegelt.
Als Beispiel können hier genannt werden: die Verordnung der EU zur Einschränkung von klimaschädlichen Kältemitteln (F-Gase Verordnung), die Zielsetzung der Bundesregierung zur Klimaneutralität von Rechenzentren des Bundes im aktuellen Koalitionsvertrag oder die Vorgaben des Blauen Engel zum energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb bzw. klimaschonende Co-Location-Rechenzentren, welche immer häufiger in neuen Projekten, gerade der öffentlichen Hand, gefordert werden und zukünftig zum Standard werden könnten.


Tobias von der Heydt: „Größere Rechenzentren, die ihre Leistungen im urbanen Umfeld anbieten, können in gleicher Weise in die Energiekreisläufe einer Stadt, eines Viertels oder Quartiers eingebunden werden.“

Wie haben Sie Ihren Kunden in der Vergangenheit dabei geholfen und welchen Impact hat das auf die Betriebskosten?
Das Thema Nachhaltigkeit, sowohl für unser Unternehmen selbst als auch in unseren Projekten ist und war schon immer ein integraler Bestandteil und wichtiger Wert der Prior1. Daher sind wir in allen Projekten bemüht, unter den jeweiligen Rahmenbedingungen möglichst effiziente und nachhaltige Lösungen zu entwickeln und entsprechende Technologien und Anlagen einzusetzen. Das beginnt allerdings schon bei der Konzeption jeden Rechenzentrums, unabhängig von dessen Größe und Zweck. Hier ist vor allem eine „richtige“, d.h. realistische und bedarfsgerechte Dimensionierung wichtig, welche dem Nutzer dennoch ausreichend Flexibilität für zukünftiges Wachstum bietet. Selbst die beste und nachhaltigste Technik wird nicht effizient betrieben werden können, wenn diese vollkommen überdimensioniert ist, was wir in der Praxis leider häufig erleben. Hier raten wir unseren Kunden, nach von uns durchgeführten Bedarfsermittlungen, häufig kleiner zu starten und bei Bedarf hinsichtlich benötigter Fläche und/oder Leistung zu erweitern. Auf dieser Basis können dann zum jeweiligen Anwendungsfall passende Technologien und Anlagen eingesetzt werden, welche einen sicheren, aber auch effizienten und wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen. Dies fängt bei einfachen Maßnahmen, wie konsequenter Trennung von kalter und warmer Luft in den Serverräumen und der Anhebung der Zulufttemperaturen zur Maximierung der Betriebsstunden der freien Kühlung ohne Einsatz mechanischer Kälteerzeugung an, geht über die Nutzung von Wärmerückgewinnung oder Geothermie und mündet in unserer Selbstverpflichtung ab 2023 in unseren Projekten keine synthetischen, sondern nur noch natürliche Kältemittel einzusetzen.


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