Nachhaltig helfen: Urban Gardening

Gastbeitrag

Der Klimawandel als humanitäre Herausforderung

Von oben betrachtet erscheint Amman als ein Wirrwarr grauer Häuser und Straßen inmitten einer kargen Wüstenlandschaft. Vier Millionen Menschen leben in der jordanischen Hauptstadt, darunter mehr als 200.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien. Die Versorgung all dieser Menschen mit Lebensmitteln und Wasser ist in der extrem heißen und trockenen Region eine enorme Herausforderung – und eine Chance für innovative Projekte.

Ein Land ohne Wasser

Während der rasanten Urbanisierung Ammans hatten Parks und Grünanlagen keine Priorität. Asphalt und Beton dominieren die Stadt – mit dramatischen Folgen für das urbane Klima. Im Sommer staut sich die Hitze und macht das Leben fast unerträglich. Staub und Abgase erschweren das Atmen, ohne Pflanzen werden kaum Schadstoffe aus der Luft gefiltert. Zudem finden viele Tiere keine Rückzugsorte mehr, die verbliebene Artenvielfalt ist stark unter Druck.

Eine grünere Stadt hätte viele Vorteile, jedoch fehlt es an einer wichtigen Ressource: Wasser. Jordanien ist eines der trockensten Länder der Welt, rund 80 Prozent des Staates sind von Wüste bedeckt. Infolge des Klimawandels droht sich der Wassermangel sogar noch zu verschärfen. Eine besorgniserregende Entwicklung, vor allem für die Landwirtschaft. Schon heute können jordanische Agrarbetriebe nur rund 19 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs decken. Die meisten Lebensmittel werden aus dem Ausland importiert. Das hat hohe Preise für Lebensmittel zur Folge, die sich insbesondere arme Familien kaum leisten können.

Urban Gardening: Die Stadt erblüht

Ausgerechnet auf einem Flachdach mitten in Amman wächst die Hoffnung auf eine grünere und gerechtere Zukunft. Pflanzkästen gefüllt mit Brokkoli, Fenchel und Salbei stehen hier, daneben ein Gewächshaus mit Erbsen, Tomaten und Erdbeeren. Es riecht nach Erde und Holz. Die 47-jährige Jasina ist gerade dabei, die reifen Früchte zu ernten: „Als ich den Garten das erste Mal betrat, erinnerte ich mich sofort an meine Vergangenheit in Syrien. Mein Onkel besaß eine große Farm und ich liebte es, ihm beim Anbau von Gemüse und Obst zu helfen.“

Bereits 16 qm² reichen aus, um 250 kg Erträge zu erzielen.

Jasina arbeitet fast jeden Tag in der „Urban Gardening“-Anlage, die hier von „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“ errichtet wurde. Die Bonner Hilfsorganisation verwandelt seit 2018 Dächer von Mehrfamilienhäusern, Schulen und sozialen Einrichtungen in blühende Oasen. Bedürftige Familien erhalten so die Chance, mitten in Amman Gemüse, Obst und Kräuter anzubauen und kostengünstig frische Lebensmittel zu produzieren.

Technologien wie Tröpfchen-Bewässerung und Hydrokultur-Systeme sorgen dafür, dass die Anbauweise deutlich effizienter und wasserschonender ist als bei herkömmlichen Farmen. Bereits 16 qm² reichen aus, um 250 kg Erträge zu erzielen. Die urbanen Gärten von Help tragen zudem positiv zum Stadtklima bei. Die Pflanzen reduzieren den CO2-Ausstoß und den Wärmeinsel-Effekt, verbessern die Luftqualität und bieten dringend benötigten Lebensraum für Insekten.

„Das Projekt in Jordanien folgt dem Prinzip, das Help im Namen trägt – Hilfe zur Selbsthilfe.“

Julius Burghardt

Mit der Natur wachsen

„Eine solche Idee war dringend nötig. Dieser Garten ist ein echter Hingucker für die ganze Nachbarschaft und ist eine Quelle des Glücks und der frischen Luft!“, bestätigt Zahra. Ebenso wie Jasina ist die junge Mutter vor dem Krieg in Syrien ins Nachbarland Jordanien geflohen. Wie die meisten Flüchtlinge fand sie bisher in Amman keine Arbeit und musste oft in der Nachbarschaft um Geld und Essen betteln, um zu überleben. Dank der Urban Gardening-Anlage hat sie nun Zugang zu frischen Lebensmitteln und kann sich durch den Verkauf von Kräutern und Gemüse ein kleines Einkommen sichern.

Am meisten freut sich Zahra darüber, wieder einer sinnvollen Arbeit nachgehen zu können. Wie viele Flüchtlinge leidet sie unter Ängsten und psychischen Problemen aufgrund der Erfahrungen, die sie im Krieg und auf der Flucht gemacht hat. Der Garten ist für sie ein sicherer Rückzugsort, an dem sie zusammen mit anderen Menschen aus ihrer Heimat Hoffnung und Vertrauen neu lernen kann: „Ich bin davon überzeugt, dass dieser Garten in uns die Liebe zur Zusammenarbeit und Geduld wecken wird. Das beste im Leben ist es, am Ende des Tages zu sehen, was man mit den eigenen Händen geschaffen hat.“

Unterstützung auf Augenhöhe

Das Projekt in Jordanien folgt dem Prinzip, das Help im Namen trägt – Hilfe zur Selbsthilfe. Die Menschen werden in die Lage versetzt, ihre Lebensumstände selbstbestimmt und aus eigener Kraft zu verbessern. Für Help ist dieser Ansatz essentiell, wenn ein Projekt langfristig Erfolg haben soll. Die 1981 gegründete Organisation begegnet den Menschen vor Ort auf Augenhöhe und bezieht sie als gleichwertige Partnerinnen und Partner aktiv in die Projektarbeit mit ein.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Vorgehensweise ist es, das Gespräch mit den Menschen zu suchen und Sorgen ernst zu nehmen. Ein Thema, das hierbei immer häufiger zur Sprache kommt, ist das veränderte Klima. „Für uns humanitäre Hilfsorganisationen ist der Klimawandel ein zentrales Thema, weil seine Folgen vor allem die ärmsten Menschen treffen“, erklärt Jonas Espeter, der als Administrator für die Help-Projekte im Nahen Osten zuständig ist. „Sie verhungern etwa während Dürreperioden, flüchten vor Ressourcenkonflikten oder verlieren ihre Existenzgrundlage aufgrund von Naturkatastrophen. Humanitäre Hilfe wird hier immer wichtiger. Wir unterstützen die Menschen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen und auf diese besser vorbereitet zu sein.“

Innovative Projekte für Klima und Umwelt

Bei Help gehen Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit Hand in Hand. Die Bonner Organisation fördert verstärkt klimafreundliche Strategien und Technologien, um Menschen und Umwelt nachhaltig zu helfen. Wie diese Unterstützung konkret aussieht, ist je nach Region sehr unterschiedlich. Im Osten des Tschad beispielsweise, einer von extremer Armut und Trockenheit geprägten Region, engagiert sich Help für den Bau solarbetriebener Brunnen und errichtet Flussschwellen. Während der Regenzeit stauen die Anlagen Wasser, das langsam versickern kann, anstatt einfach abzufließen. Fruchtbares Land entsteht und der Grundwasserpegel steigt. Instandgehalten werden die Brunnen und Stauanlagen von Komitees, die von Help ins Leben gerufen und ausgebildet wurden.

In Indonesien widmet sich Help dagegen dem Kampf gegen Plastik. Jedes Jahr werden in dem Inselstaat rund 3,22 Millionen Tonnen Plastikmüll unkontrolliert entsorgt. Ein Großteil davon gelangt in die Weltmeere. Um den bereits bestehenden Plastikmüll zu reduzieren, hat Help mit einer lokalen Partnerorganisation Abfallbanken gegründet, die in Indonesien als „Bank Sampah“ bekannt sind. Menschen können hier ihren Plastikmüll gegen einen kleinen Geldbetrag eintauschen. Auf diese Weise tragen sie zum Schutz der Umwelt bei und können sich gleichzeitig etwas Geld dazuverdienen. Knapp 3 Tonnen Plastikmüll konnten so bereits gesammelt werden.

Aus Not wird Perspektive

Der Schutz der Umwelt ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Folgen von Erderwärmung und Naturzerstörung gefährden das Zusammenleben und die Existenz von zukünftigen Generationen weltweit. Insbesondere arme Länder sind bedroht, obwohl sie bislang am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Die Betroffenen verfügen meist weder über ausreichend Wissen noch über Kapital, um sich an die Veränderungen anzupassen. Sie benötigen internationale Unterstützung – und frische Ideen.

Help – Hilfe zur Selbsthilfe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz zu verbinden. Mit innovativen Konzepten wie Urban Gardening, Flussschwellen oder Abfallbanken zeigt Help Menschen in Entwicklungsländern, wie sie sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen und aus eigener Kraft ihre Lebensbedingungen verbessern können. Doch damit diese Projekte erfolgreich sein können, ist weitere Unterstützung nötig. Wir müssen den Menschen in armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel zur Seite stehen. Insbesondere Unternehmen sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Verantwortung beim Klimaschutz gerecht werden. Gemeinsam können wir Menschen weltweit dabei helfen, ihre wirtschaftliche und ökologische Zukunft in die Hand zu nehmen.

Weitere Informationen

https://www.help-ev.de/themen/klimaschutz-und-entwicklungszusammenarbeit

Über den Autor

Julius Burghardt ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung bei der internationalen Hilfsorganisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“. Bei Infoveranstaltungen an Schulen informiert er regelmäßig über die Folgen des Klimawandels und die Herausforderungen für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Inbetriebnahme der ersten Urban Gardening-Anlage in Amman hat er vor Ort medial begleitet.

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