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Multitasking und die Folgen

Patricia Lück sprach mit der TREND-REPORT-Redaktion über steigende Arbeitsbelastung und Möglichkeiten der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF).

Warum kümmert sich die AOK so engagiert um die Gesundheit der Arbeitnehmer in Unternehmen und Handwerksbetrieben?
Wer ungünstige Arbeitsbedingungen über Jahre vorfindet, wird eher krank. Das ist eine Tatsache, die einer Krankenkasse nicht egal sein kann. In der Vergangenheit war es eher die harte körperliche Arbeit, die den Beschäftigten zusetzte. Denken Sie an Berufe wie im Bergwerk oder im Fahrzeugbau. Heute sind die Belastungen der modernen Arbeitswelt andere, Stichwort Stress. Da ist die ständige Erreichbarkeit der Arbeitnehmer durch Internet und Smartphones. Es herrschen hoher Zeitdruck und enorme Arbeitsverdichtung. Auch die Anforderungen an die Qualität der Arbeit sind angestiegen. Was folgt daraus? Eine psychische und psychosoziale Beanspruchung in nie gekanntem Ausmaß mit Folgen wie Erschöpfungssyndrome oder Depression. Aber auch körperliche Leiden wie Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden. Das Ganze ist mit hohen Kosten für die Gesellschaft verbunden. Hier wollen wir gegensteuern.

Sie kennen die Herausforderungen in den Betrieben. Wie genau können Sie als Krankenkasse den Unternehmen helfen, sich gut aufzustellen?
Zunächst müssen wir in jedem Unternehmen einmal schauen, wie stellt sich die Arbeitssituation für die einzelnen Beschäftigten dar. Das ist in jedem Betrieb und in jeder Branche natürlich unterschiedlich. Wir dokumentieren diese Analyse und bekommen so Hinweise auf die spezielle Belastungssitu­ation, aber auch auf die Ressourcen, die zur Gesunderhaltung der Beschäftigten zur Verfügung stehen. Zusammen mit der Führungsriege des Unternehmens legt man gemeinsam Ziele fest, nach dem Motto „Wohin-wollen-wir-mit-BGF?“ und entwickelt dann spezielle Maßnah­men zur Verbesserung. Dann spricht man über die notwendigen Prioritäten, denn man darf das Unternehmen auch nicht überfordern. Und schließlich werden die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Schritte vereinbart. Uns ist auch wichtig, dass man während des gesamten Prozesses schaut, ob das, was man vereinbart hat, auch passt.

Es ist sicher nicht leicht, Unternehmen für BGF zu gewinnen. Die Geschäftsführung fragt doch sicherlich zuerst, was muss ich investieren und was bringt mir dieses Prozedere am Schluss?
Eine ganze Menge positiver Ergebnisse, damit kann man die Führung meistens überzeugen. Denn die Krankenstände sinken deutlich, wenn wir BGM-Maßnahmen etabliert haben. Das können wir belegen. Wenn Mitarbeiter feststellen, dass der Arbeitgeber sich um ihre Gesundheit sorgt und es ernst meint, dann steigt auch deren Arbeitszufrieden­heit und die Fluktuation geht zurück. Das ist heute von entscheidender Bedeutung, denn der Run um die besten Köpfe hat längst begonnen und wer zu­frieden ist, macht auch seine Arbeit bes­ser. Aber BGF einzuführen, rechnet sich auch. Studien sagten dazu, dass ein ein­gesetzter Euro für gesündere Arbeitsbedingungen bis zu drei Euro Ersparnis bei den Krankheitskosten bringt.

Patricia Lück, Diplom-Psychologin und Expertin für gesunde Arbeit beim AOK-Bundesverband, betont: „BGF-Maßnahmen sind dazu da, einen wertschätzenden und unterstützen­den Umgang miteinander zu etablieren.“

Patricia Lück, Diplom-Psychologin und Expertin für gesunde Arbeit beim AOK-Bundesverband, betont: „BGF-Maßnahmen sind dazu da, einen wertschätzenden und unterstützen­den Umgang miteinander zu etablieren.“

Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Einführung von BGF-Maßnahmen?
Wichtig ist es, dass man das Ganze als eine gemeinsame Aufgabe einführt. Das heißt, alle machen mit, auch die Chefs. Es geht ja auch um deren Gesundheit, denn wer selbst angeschlagen ist, kann nicht gut führen. Dafür müssen wir sensibilisieren. In einem Unternehmen aus dem Bereich Gebäude­reinigung und Service beispielsweise wur­den die Objektleiter in Sachen Stress­­­management, Ernährung, mentale Fitness etc. speziell geschult. Dahinter steckt die Überlegung, dass Führungskräfte in zweifacher Hinsicht positive Impulse geben können. Einmal als Gestalter gesunder Arbeitsbedingungen und gleichzeitig als Vorbild für einen gesunden Lebensstil – im und außerhalb des Betriebs. Ziel ist es, einen gesundheitsorientierten Führungsstil langfristig und umfassend zu etablieren und so auch die Mitarbeiter dafür zu begeistern.

Kann BGF auch zu einem verbesserten Betriebsklima beitragen?
Die Stimmung im Unternehmen ist ein zentraler Punkt, wenn es um die Arbeitszufriedenheit geht. Was oft beklagt wird, ist zu wenig Lob, wenn gesteckte Ziele erreicht werden und gute Arbeit geleistet wird. BGF-Maßnahmen sind auch dazu da, einen wertschätzenden und unterstützenden Umgang mit­einander zu etablieren und im Vorfeld dessen Be­deutung mit der Füh­rungsebene und der Mitarbeiterschaft zu thematisieren. Aber mindestens genauso wichtig ist es, über Fehler zu sprechen und eine Fehlerkultur einzuführen. Diese sollte so gestaltet sein, dass bei Pannen Mitarbeiter keine Angst haben müssen, zu ihnen zu stehen. Bekannt ist auch, dass soziale Unterstützung eine ganz wichtige Ressource, sagen wir eine Kraftquelle darstellt, die wesentlich dabei hilft, gesund zu bleiben.

Welchen Anteil hat die AOK an diesem „Aufbauprogramm“ für bessere gesundheitliche Arbeitsbedingungen?
Für uns ist die BGF von zentraler Bedeutung. Wir wollen als Krankenkasse nicht nur Zahler, sondern auch Motivator für eine gesunde Lebensführung und für gute Arbeit sein. Deshalb engagieren wir uns schon seit einem Vierteljahrhundert auf diesem Terrain. Während dieser Zeit konnten wir viel Erfahrung sammeln, wie man mit Unternehmen zusammenarbeiten muss, dass es erfolgreich wird. Das bedeutet natürlich auch, dass wir richtig Geld investieren. Nehmen wir das Jahr 2014, da waren es mehr als 24 Millionen Euro. Damit erreichen wir 44,5 Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für BGF.

Weitere Informationen unter:
www.aok-bv.de

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