Mathematische Optimierung für bessere KI

Die Digitalisierung bestehender Prozesse allein reicht nicht aus: Unternehmen müssen automatisiert die kundenindividuellen Entscheidungen treffen, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Autor Marc Drobe von FICO berichtet über mathematische Optimierungspotenziale bei Algorithmen.

Die Digitalisierung ist schon seit einigen Jahren auf der Agenda vieler Unternehmen und Corona hat die Notwendigkeit und Entwicklung zusätzlich beschleunigt. Lag der Fokus dabei bisher überwiegend auf der Digitalisierung bestehender Prozesse, ist diese Strategie für die mittel- und langfristige Differenzierung und Erreichung der Geschäftsziele vor allem bei komplexen Portfolio-Entscheidungen nicht ausreichend. Zwar nutzen viele Unternehmen bestehende Daten immer mehr, um mit der Analyse dieser Daten ihre Kunden besser zu bedienen und eine höhere Profitabilität zu erreichen. Aber nur, wenn optimale, automatisierte und datengetriebene kundenindividuelle Entscheidungen in ihre digitalen Prozesse integriert werden, kann ihnen das wirklich gelingen.

So stellen sich Managern komplexer Produkt- oder Serviceportfolios drei große Herausforderungen: Erstens müssen sie für jeden einzelnen Kunden und alle möglichen Entscheidungsoptionen ermitteln, welcher Wertbeitrag zu erwarten ist. Zweitens benötigen sie innerhalb bestehender interner und externer Restriktionen sowie teilweise konkurrierender Ziele mithilfe von Simulationen, Transparenz über die zu erwartenden Portfolioergebnisse, um damit Entscheidungen über Portfoliostrategien zu erleichtern und diese abzusichern. Drittens müssen sie mithilfe von mathematischer Optimierung die Strategie ermitteln, welche innerhalb der gegebenen Ziele und Restriktionen zu optimalen Ergebnissen führt. Diese gilt es dann, innerhalb des (digitalen) Prozesses umzusetzen.

Vorhersagen auf der Basis historischer Daten sind nicht genug – Beispiel Finanzinstitute

Dr. Marc Drobe, Senior Partner Solution Sales bei FICO, erläutert, wie sich bei automatisierter Entscheidungsfindung Optimierungen durchführen lassen.

Nehmen wir als Beispiel die Finanzbranche mit komplexen Portfoliostrategien. Ein volatiles Marktumfeld und gestiegene Kundenanforderungen für Banken und Finanzinstitute machen Simulationen und Stresstests immer wichtiger. Neue Szenarien müssen analysiert, Auswirkungen auf Portfolios projiziert und angepasste Entscheidungsstrategien zur Erreichung der KPIs zeitnah implementiert werden. Die automatisierte Evaluation von Kunden und kundenzentrierte Aktionen rücken dabei in den Vordergrund und Modelle werden agil an neue Daten angepasst. Längst reichen traditionelle Ansätze zur Segmentierung des Portfolios und Vorhersage individuellen Kundenverhaltens nicht mehr aus. Selbst die Entwicklung von datenbasierten Strategien und Advanced Analytics helfen nur in zwei Punkten bei der Entscheidungsfindung. Sie klären erstens, was daraus resultieren könnte, wenn eine spezifische, vorab definierte Aktion für einen Kunden gewählt wird und zweitens, welche Entscheidung für den Kunden isoliert betrachtet am besten ist.

Entscheidungsmodellierung und Optimierung mithilfe von künstlicher Intelligenz entwickeln den Predictive Analytics-Ansatz weiter. Sie ermöglichen Simulationen darüber, welche Entscheidungsstrategie die beste im Hinblick auf die Erreichung von definierten Portfoliozielen ist. Finanzinstitute treffen beispielsweise bei der Kreditvergabe täglich individuelle Entscheidungen zu Kunden, die im Rahmen einer Entscheidungsstrategie definiert sind. Nun gibt es aber für jeden Kunden viele mögliche Entscheidungen und nicht nur eine. Jede dieser Optionen bringt einen anderen Beitrag zur Erreichung der Portfolioziele. Zu beachten sind dabei einerseits die zu erwartenden Erträge, Verluste und Kosten. Andererseits spielt die vorhergesagte Reaktion des Kunden auf unterschiedliche Entscheidungen eine wichtige Rolle. Abbildung 1 zeigt dieses anhand einer einfachen Preisentscheidung.

Außerdem müssen dabei bestehende interne und externe Restriktionen berücksichtigt werden. Die dadurch entstehende Komplexität kann nur mit dem Ansatz der mathematischen Optimierung eindeutig gelöst werden.

Abbildung 1: Entscheidungsmodellierung und Optimierung bringen die Portfoliostrategie auf die nächste Entwicklungsstufe

Entscheidungsfindung auf neues Niveau bringen – Komplexität managen

Folgende Analogie verdeutlicht, wie Decision Impact Modelling und Optimierung die Strategie- und Entscheidungsfindung beispielsweise für den Portfoliomanager eines Finanzinstitutes auf ein neues Niveau heben: Die Strategie- bzw. Entscheidungsfindung ist vergleichbar mit dem Fliegen eines Flugzeugs. Dabei ist im klassischen Ansatz die Preiselastizität der Kompass, um in die richtige Richtung zu fliegen. Das Risikomodell ist die Höhenmeterangabe, die verhindert, dass es einen Crash gibt. Die Erfahrung zeigt, wie weit und in welches Land das Flugzeug fliegen soll. Das Decision Impact Modelling ist das GPS beziehungsweise der Bord-Computer im Flugzeug. Er weist den Weg zum Zielflughafen. Auf das Bankenbeispiel übertragen: Welche individuellen Kundenentscheidungen sind notwendig zur Erreichung der angestrebten KPIs. Aber auch Streckenabschnitte mit schlechtem Wetter, die vermieden werden sollten, werden angezeigt – wie muss ich die Entscheidungsstrategien in einem sich ändernden Wettbewerb und regulatorischen Umfeld anpassen? Mathematische Optimierung ist dabei analog zum Autopiloten. Er zeigt dem Portfoliomanager, welche Entscheidungen für jedes Konto getroffen werden müssen, um genau zum Ziel zu kommen und nicht nur in die Nähe davon.

In der Praxis sind Decision Impact Modelling und mathematische Optimierung das Mittel der Wahl, um unterschiedlichste Szenarien zu simulieren: Wenn ich den Nettozinsertrag maximieren möchte, welchen Einfluss hat das auf das Neugeschäftsvolumen? Wie verändert sich der Zinsertrag, wenn ich das Volumen maximiere? Wie kann ich gleichzeitig Zinsertrag und Volumen steigern, und wo sind die Grenzen? So lassen sich verschiedenen Szenarien analysieren, projizierte Portfolioergebnisse darstellen und Entscheidungsstrategien erstellen, die direkt operativ umgesetzt werden können.

Anstatt das Portfolio zu segmentieren und jedem Mikrosegment eine Aktion zuzuweisen wie im klassischen Portfoliomanagement, werden innerhalb der KI-basierten Entscheidungsoptimierung alle möglichen Aktionen betrachtet, die für jeden Kunden ergriffen werden können. Dabei werden dieselben Daten genutzt wie beim traditionellen Ansatz, aber auch sogenannte Action Effect Modelle genutzt, die es ermöglichen auf der Kundenebene erwartete Ergebnisse für unterschiedliche Entscheidungen zu projizieren. So lassen sich alle möglichen Entscheidungen zeitnah testen, berechnen und im Rahmen der definierten Restriktionen die Erreichung der Portfolioziele projizieren.

Richtige Antworten auf komplexe Fragestellungen – schnell und für unterschiedlichste Szenarien

Entscheidungsmodellierung und -optimierung geben also Antworten auf typische Fragen, die sich Portfoliomanager im Zusammenhang mit Entscheidungsstrategien stellen: Was sind Auswirkungen auf mein Portfolio und meine Ziele, wenn ich meine Strategie unter bestimmten gegebenen Rahmenbedingungen auf diese oder jene Weise ändere? Bei jeder Portfolioentscheidung müssen konkurrierende Ziele berücksichtigt werden.

Bisher beispielsweise bei Kunden aus der Finanzbranche erzielte Ergebnisse sprechen für diesen Ansatz (siehe Abbildung 2). Er ermöglicht nicht nur verbesserte Kundenentscheidungen, die zu einer höheren Portfolioprofitabilität führen. Er gibt auch tiefere Einblicke in das Portfolio und dessen Mikrosegmente. Diese Transparenz ist eine notwendige Voraussetzung, um auch im Umfeld von dynamischem Wettbewerb und wechselnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitable Portfolien zu managen.

Abbildung 2: Erfolge von Entscheidungsmodellierung und mathematischer Optimierung bei Kunden aus der Finanzbranche von FICO

Creative Commons Lizenz CC BY-ND 4.0

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