Liefern ohne Engpässe

Von: Axel von Kleist, Partner Automotive/DMI bei apsolut

E-Procurement-Plattformen schaffen Transparenz:  Damit Lieferengpässe ohne Folgen bleiben 

Lieferengpässe können Unternehmen schnell in die Bredouille bringen – vor allem, wenn das eigene Geschäft dadurch ausgebremst wird. Mit modernen E-Procurement-Plattformen können drohende Lieferrisiken gezielt identifiziert, analysiert und gesteuert werden.  

Corona-Krise, Suez-Blockade und Russland-Embargo sind nur einige der jüngsten Ereignisse, die zu Unterbrechungen im Welthandel bis hin zu Nachschubproblemen und milliardenschweren Einbußen führen. Besonders betroffen sind Endprodukte-Hersteller, die unter einer starken Preiserhöhung für die Rohstoffe und Zwischenprodukte leiden. In manchen Fällen führt die Verknappung dazu, dass sich bestehende Lieferverpflichtungen nicht einhalten lassen.  

Axel von Kleist
Partner Automotive/DMI bei apsolut

Immer mehr strukturelle Handicaps  

Doch markieren diese Ereignisse nur die Spitze des Eisbergs, wie eine aktuelle Bundesbankumfrage zeigt. Tatsächlich führt eine Vielzahl an Faktoren dazu, dass sich der Anteil der Industrieunternehmen in Deutschland, die mit Lieferengpässen zu kämpfen haben, von Mitte 2020 bis Januar 2021 auf fast 20 Prozent verdoppelt hat. Dies liegt zum einen an strukturellen Problemen des Weltmarkts, zum Beispiel der Knappheit an Rohstoffen wie Lithium, das für die Akkus von Notebooks und Handys und zunehmend für die Batterien von Elektroautos genutzt wird. Auch wirken sich verstärkte Sanktionen gegen Länder wie China aus, die zu Störungen der internationalen Transportwege führen.  

Hinzu kommen Lieferengpässe, die durch operative Probleme in der Zusammenarbeit mit Lieferanten entstehen. Zwar können auch einzelne Störfälle dafür verantwortlich sein – dann etwa, wenn ein Lieferantenfahrzeug in einen Unfall verwickelt wird und nicht rechtzeitig beim Kunden eintrifft. Jedoch gibt es auch Zulieferer, die es mit der Liefertreue generell nicht so genau nehmen oder permanente Qualitätsdefizite aufweisen.

Transparenz über Unternehmensgrenzen hinweg

Doch wie können sich die Fertigungsbetriebe gegen strukturelle und operative Handicaps wappnen? Transparenz heißt das Zauberwort – und zwar weit über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Auch über die Lieferantenbeziehungen, Kundenverpflichtungen und weltweiten Beschaffungsmärkte sollte eine zeitnahe Übersicht vorhanden sein.

Dafür ist es notwendig, dass die Unternehmen mit ihren Handelspartnern in strukturierter Form elektronisch zusammenarbeiten. Die Grundlage bilden (Fast)-Echtzeitdaten auf Basis strukturierter Geschäftsdokumente, zum Beispiel für Bestellungen und Lieferavise.

Für die Analyse und Auswertung der Daten aus der externen Lieferkette (Einkauf und Liefertreue) und der internen Produktions- und Absatzplanung bieten sich moderne Analyse-Tools an, wie multidimensionale Data Cubes (Datenwürfel). Damit können alle wichtigen Informationen aggregiert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Einkäufer erhalten wertvolle Einblicke in drohende Lieferrisiken und die vorhandenen Optionen, um diese möglichst rasch abzuwenden oder zu kompensieren. Auch können sie zeitnah in die Prozessabläufe korrigierend eingreifen, falls nötig.  

Risikobetrachtungen schaffen Klarheit  

Stellt ein Lieferant eine Warensendung nicht oder nur verzögert zu, sollten die Informationen analysiert werden, die über ihn im IT-Beschaffungssystem gespeichert sind. Ziel muss es sein, Muster in seiner Liefertreue und Liefergeschwindigkeit auszumachen. Kommt die Datenanalyse zum Ergebnis, dass es bereits zuvor erhebliche Lieferschwierigkeiten gab, empfiehlt es sich, Korrekturmaßnahmen einzuleiten oder die Zusammenarbeit zu beenden.  

Etwas komplizierter gestalten sich die Risikobetrachtungen bei strukturellen Lieferhandicaps, wie das Beispiel der Rohstoff-Verknappung zeigt. Werden benötigte Rohstoffe rar, sollte der Endprodukte-Hersteller die externen Marktdaten direkt mit den relevanten Informationen aus Einkauf, Produktions- und Absatzplanung und Vertrieb abgleichen. Sind auch eigene Warenbestellungen und Lieferverpflichtungen durch die Rohstoff-Knappheit beeinträchtigt, empfiehlt sich die Suche nach alternativen Bezugsquellen. Auch diese kann durch moderne Lösungen, wie Scoutbee, unterstützt werden.


„Just-in-time“ oder Lagerhaltung?

Viele Fertigungsbetriebe sind wieder zu einer Multisourcing-Strategie zurückgekehrt, um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu vermeiden. Andere setzen zudem auf eine Bevorratung der benötigten Waren und nehmen zum Teil enorme Opportunitätskosten für die Lagerhaltung in Kauf. Ob sich diese auch künftig rechnen, lässt sich mit leicht mit Predictive Analytics klären. Dabei werden historische Daten zur Vorhersage der Kostenentwicklung in einem bestimmten Zeitraum verwendet. Einkaufsabteilungen erhalten in Einzelfällen Transparenz, ob nicht die „Just-in-Time“-Lieferung die günstigere Variante ist.

Zentrale Plattform erforderlich 

Um die relevanten Supply-Chain-Informationen effizient bereitstellen und verwalten zu können, brauchen die Unternehmen zentrale E-Procurement-Plattformen, die lokal genutzt werden können. Diese sollten vier zentrale Anforderungen des Einkaufs erfüllen:    

  1. Nachhaltigkeit: Unterstützung von ökologischen und sozialen Kriterien bei der Lieferantenwahl, wie Go Green Initiativen, CO2-Reduktion oder Zero Waste
  2. Flexibilität: flexibleVersorgung von Gütern mithilfe von Echtzeit-Einkaufsinformationen, um zeitnah auf Störfälle reagieren und in laufende Prozesse eingreifen zu können (z.B. flexible Sourcing, Enhanced Sourcing & Contracting)
  3. Effizienz: effiziente Abbildung derEinkaufsabläufe, um die Prozesskosten zu senken und Einsparpotenziale zu heben, zum Beispiel durch Lieferanten-Pools
  4. Benutzerfokussierung: Benutzerfreundlichkeit durch einfache und intuitive Navigation

SAP: Ganzheitlicher Ansatz liegt im Trend

Für den SAP-basierten Einkauf steht mit SAP S/4HANA for Central Procurement (CP) ein neues (cloudbasiertes) System zur Verfügung, das diese Anforderungen erfüllt. Zentrale Rahmenverträge können dezentral genutzt und laufend auf ihre Ausschöpfung hin überwacht werden. SAP S/4HANA CP unterstützt die Zentralisierung der Einkaufsfunktionen und -prozesse über mehrere ERP-Systeme hinweg. Die Rolle eines Hubs (Mittelpunkt/Zentrum) steht im Vordergrund.

In Kombination mit SAP Ariba Supply Chain Collaboration (SCC) und SAP Analytics Cloud (SAC) erhalten Unternehmen zeitnah die Informationen, die sie zur schnellen Identifizierung von Lieferrisiken brauchen. Während SCC die Effizienz und Transparenz in der Zusammenarbeit zwischen den Handelspartnern verbessert und die elektronische Abwicklung unterstützt, integriert SAC Echtzeitanalysen, Planungen und Prognosen. Zur optimalen Ausrichtung der strategischen und operativen Einkaufsfunktionen empfiehlt sich zudem die Nutzung des SAP Ariba-Händlernetzwerks.

Globale Einkaufsprozesse definieren, aber lokal nutzen

Als ideale IT-Systemarchitektur bietet es sich an, SAP S/4HANA CP auf einem oder mehreren Digital Cores aus SAP ERP-, S/4HANA- und gegebenenfalls ERP-Lösungen von Drittanbietern aufzusetzen. Damit können globale Einkaufsprozesse gestaltet und lokal ausgeübt werden. SAP Master Data Governance (MDG) ermöglicht die unternehmensweit einheitliche Stammdaten-Verwaltung. Der Anschluss an das weltweit größte Business & Community Collaboration Network von SAP stellt die Verbindung der unternehmensinternen Informationen mit dem externen Markt sicher.

www.ap-solut.com  

Über den Autor

Axel von Kleist verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung mit Einkaufs- und IT-Lösungen. Nach unterschiedlichen Funktionen in mittelständischen Unternehmen leistete er bei Commerce One im Bereich der Integration von eProcurement- und Marktplatzlösungen in SAP ERP-Systeme internationale Pionierarbeit. Bei Siemens war er langjährig am Aufbau globaler Shared Service Center für Einkaufsapplikationen und deren Integration in SAP-Systemumgebungen beteiligt. Seit langem berät Axel von Kleist Unternehmen bei der Digitalisierung auf Basis von SAP S/4HANA mit Fokus auf dem Einkauf und leitet bei apsolut den Industrie-Cluster „DMI und Automotive“ als verantwortlicher Partner.

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