von Marten Mickos, CEO, HackerOne

Viel wird darüber gesprochen, doch erörtert wird der Begriff nur selten: Die Rede ist von Innovation. Innovation ist eine Veränderung, die eine neue Dimension der Leistung schafft. Innovation stört die existierende Ordnung auf dem Markt. Im geschäftlichen Sinne sind Störenfriede deshalb häufig Innovatoren, aber nicht alle Innovatoren sind Störenfriede. Und diese Störungen zwingen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle zu überdenken, indem sie die Art und Weise, wie sie sich verhalten, wie sie Geschäfte machen, verändern oder vielleicht sogar ihrer Grundlage entziehen. Der verstorbene Professor Clayton Christensen pflegte zu sagen, dass eine Störung einen bestehenden Markt, eine Branche oder eine Technologie verdrängt und etwas Neues, Effizienteres und Lohnenswerteres hervorbringt. Eine solche Innovation ist folglich im selben Atemzug destruktiv wie kreativ.

Ein weit verbreiteter Irrglaube dabei ist jedoch, dass Innovationen in Forschungslabors entwickelt und dafür Patente beantragt werden. Für einige Neuerungen trifft das sicherlich zu. Dennoch gibt es einen großen Unterschied zwischen Erfindung und Innovation. Die meisten Erfindungen werden schlussendlich niemals von Endverbrauchern oder je nach Art der Entwicklung von der Gesellschaft genutzt. Doch im Gegenzug gibt es eine Vielzahl von Innovationen, damit sind an dieser Stelle Veränderungen gemeint, die uns eine ganz neue Welt von Vorteilen eröffnen – in den unterschiedlichsten Formen. Viele Innovationen haben dabei keinen erkennbaren Erfinder. Sie können das Ergebnis von Teamarbeit oder Crowdsourcing sein.

Verbesserte Sicherheit und Funktionalität

Um positive Folgen entfalten zu können, ist es unerheblich, woher die Innovation stammt oder welchen Weg sie bis zu ihrem Einsatz zurücklegen musste. Alles, was zählt, sind die konkreten Verbesserungen für unseren Alltag – wenn möglich für jedermann. Ein Beispiel dafür ist HackerOne. Das Unternehmen bringt Hacker und Unternehmen zusammen, um mit – vielleicht auf den ersten Blick – sehr gegensätzlichen Interessen sowohl die IT-Sicherheit als auch die Qualität von Software, Webseiten und Apps zu verbessern. Auf diese Weise ist eine Gemeinschaft zwischen diesen vermeintlichen Antagonisten entstanden, die in gegenseitigem Einverständnis und zum Vorteil aller Beteiligter nach funktionalen sowie sicherheitsrelevanten Lücken in Softwaresystemen suchen. Wenn solche Sicherheitslücken gefunden werden, können sie auch behoben werden. Mit jedem Schritt verringert sich die Angriffsfläche, die einem Kriminellen als Einfallstor dienen kann. Die Welt wird sicherer, und das Vertrauen in digitale Anwendungen und Services kann wiederhergestellt werden.

Was zunächst einfach klingt, war jedoch jahrelang ein ungelöstes Problem. Werkzeuge und Dienste zum Testen und Scannen waren nicht in der Lage, schwer zu erkennende Sicherheitslücken zu finden. Hacker sind jedoch in der Lage, genau das zu tun. Ein Whitehat – wie die guten Hacker genannt werden, um sie von kriminellen Blackhats zu unterscheiden – besitzt eine Neugierde und Kreativität, die jene eines von Menschenhand geschaffenen Systems oder Werkzeugs bei weitem übertrifft. Erst die vielleicht zunächst undenkbare Schaffung von Transparenz und das Teilen des Problems mit der ganzen Welt – oder hier mit Hackern – kann innerhalb kürzester Zeit eine brauchbare Lösung hervorbringen

Wie konkret der Nutzen ist, der durch neues Denken, andere Ansätze, also Innovation, entsteht, zeigt sich daran, dass bis heute mehr als 150.000 Sicherheitslücken gefunden und behoben wurden und somit eine böswillige Ausnutzung selbiger verhindert werden konnte. Die Folge davon ist, dass der Umgang mit Software und Online-Services sicherer wurde. Dieses Modell wird heute vom US-Verteidigungsministerium, Goldman Sachs, Starbucks, Microsoft, Google, Intel und vielen anderen genutzt und empfohlen.

Das Linux-Betriebssystem ist ein weiteres herausragendes Beispiel. Ursprünglich im Kern von Linus Torvalds geschaffen, wurde Linux zu einem Gemeinschaftsprojekt, das leistungsfähiger ist als jedes andere Unternehmenssoftwareprojekt in der Geschichte. Es war nicht der Softwarecode, der die Innovation darstellte. Es war die Art und Weise, wie es die Intelligenz all jener bündelte, die gewillt waren und die Fähigkeiten besaßen, sich an dem Projekt zu beteiligen – und dieser Prozess wird auch in Zukunft fortgesetzt werden.

Voraussetzungen

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, was Unternehmen von dieser Innovation lernen können. Sind die Prinzipien, die zu der von Hackern vorangetriebenen Sicherheit geführt haben, generisch und für andere verfügbar? Können sie auch in anderen Branchen und für andere Anwendungsfälle von Nutzen sein? Das können sie mit Sicherheit. Jede einzelne Innovation mag für sich genommen einzigartig sein, aber allen ist gemein, dass sie auf sich ähnelnde Grundbedingungen zurückzuführen sind.

Innovation geschieht unter günstigen Bedingungen. Diese Bedingungen können Unternehmen aber positiv selbst beeinflussen. Dazu gehört unter anderem:

  • die Beteiligung möglichst jedes dazu befähigten Mitarbeiters im Unternehmen an offenen Herausforderungen
  • Innovation fußt auf Austausch: Experten zweier unterschiedlicher Fachrichtungen sind vielleicht nicht in der Lage, für sich alleine innovativ zu sein, aber gemeinsam können sie durch die Einbringung ihrer individuellen Kompetenzen äußerst innovativ sein.
  • Der Verstand des Menschen ist optimiert, zusammenzuarbeiten und kreativ zu sein. Das Ego des Menschen ist es nicht. Daher sollten Prozesse und Steuerungsmodelle so angelegt werden, dass Kreativität gedeihen kann, Egos aber keine Rolle spielen.
  • Innovationen sollten der Einflussnahme von Schwarzsehern vorenthalten sein. Denn häufig sind genau die Neinsager diejenigen Fachleute, die an Traditionen festhalten möchten und dadurch Veränderung und damit einhergehende Innovation bremsen.
  • Niedrige Kosten infolge eines Fehlschlags bestärken den menschlichen Geist darin, zu experimentieren. Das gilt analog sowohl für soziale als auch für monetäre Kosten.
  • Ein einfach gehaltener bzw. sparsamer Rahmen, in dem der Gedankenaustausch stattfindet, führt oft zu weitaus kreativerer Innovation.
  • Innovation beginnt mit einem Traum, mit einer idealen Vorstellung, wie die Menschen die Innovation erleben und von ihr profitieren werden. Erst danach geht es um die technologische Umsetzung, die schlussendlich das gewünschte Ergebnis liefert.
  • Es lässt sich vieles versuchen, jedoch sollte man sich an dem orientieren, was funktioniert. Sollte etwas einmal nicht funktionieren, ist noch nichts verloren, denn Innovation liegt immer Darwinismus zugrunde.
  • Zu guter Letzt gilt es, auch im Unternehmen insgesamt eine positive Atmosphäre zu schaffen. Schließlich ist der Mensch am kreativsten, wenn er sich entweder mit einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr konfrontiert sieht oder wenn er fröhlich und ausgeglichen ist, sich wohl fühlt und akzeptiert wird.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass einige Innovationen eng gefasst und spezifisch sind. Andere sind gemeinschaftlich. Beide Gruppen von Innovationen schaffen eine neue Dimension der Leistung und führen zu marktstörenden – aber keinesfalls schädlichen – Unternehmen, die unsere Zivilisation besser machen.

CC BY-ND 4.0 DE

 

 

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