F&E 4.0: Smart, agil, flexibel

Dr. Stefan Wenzel (li.) und Dr. Armin Schulz beleuchten die Bedeutung neuer Konzepte ebenso wie einer stärkeren Einbindung der Kunden in F&E-Prozesse.

Dr. Stefan Wenzel (li.) und Dr. Armin Schulz plädieren dafür, die Chancen von KI für Forschung & Entwicklung zu nutzen.

Dr. Stefan Wenzel und Dr. Armin Schulz, beide Geschäftsführer der 3DSE Management Consultants GmbH, sprachen mit der TREND-REPORT-Redaktion über den Einfluss von KI auf Forschung und Entwicklung.

Herr Dr. Wenzel, welche Bedeutung hat heute und morgen die künstliche Intelligenz im Innovationsprozess?

Dr. Wenzel: "Sobald wir in der Lage sind, Kunden- und Nutzungsverhalten durch intelligente Analysen besser vorhersagen zu können, wird die Bedeutung von KI im Innovationsprozess riesig sein."

Dr. Wenzel: „Sobald wir in der Lage sind, Kunden- und Nutzungsverhalten durch intelligente Analysen besser vorhersagen zu können, wird die Bedeutung von KI im Innovationsprozess riesig sein.“

Künstliche Intelligenz im Innovationsprozess steckt heute noch in den Kinderschuhen. Es gibt vielversprechende Ansätze bei der deskriptiven Analyse („was ist geschehen?“) von Produktnutzungsdaten wie z.B. dem Betrieb einer Turbine und erste Erfahrungen bei der Algorithmen-basierten Automatisierung von Innovationstätigkeiten, wie z.B. der generativen Gestaltung geometrischer Formen und Simulation von technischen Architekturen. Das Potenzial der KI wird damit aber nicht annähernd gehoben. In Zukunft wird die Bedeutung von KI im Innovationsprozess jedoch riesig sein, sobald wir in der Lage sind, Kunden- und Nutzungsverhalten durch prädiktive Analysen besser vorhersagen zu können und Algorithmen und Machine Learning uns unter Verwendung aller Daten aus dem gesamten Produktelebenszyklus anleiten, bessere und schnellere Entscheidungen im Innovationsprozess zu treffen.

Wie können die F&E-Abteilungen das Potenzial heben und die neuen Technologien sinnvoll implementieren und zum Einsatz bringen?
Um das Potenzial heben zu können, müssen wir die „digitale Kontinuität“ über den gesamten Produktlebenszyklus von Kundenbedarf, Entwicklung, Fertigung & Logistik sowie Betrieb und Nutzung herstellen. Digitale Kontinuität bedeutet, wir haben Zugriff auf alle Daten im Produktlebenszyklus und können diese auch managen (analysieren, verknüpfen, Wissen ableiten). Der sogenannte „volle digitale Zwilling“ ermöglicht zukünftig eine höhere Widerspruchsfreiheit in Produkt und Service, eine höhere Effizienz im Entwicklungsprozess und die Komplexität im Markt und Technologie besser zu bewältigen. Um die digitale Kontinuität herstellen zu können, werden die Unternehmen kluge Lösungsansätze und hohe Investitionen bei den PLM-Systemen (Product Life Cycle Managament) benötigen.

Am 24. Mai 2019 findet die 3DSE F&E Leitkonferenz in München statt. Weitere Infos und Anmeldung unter: www.FuE-Leitkonferenz.de

Herr Dr. Schulz, welche Anwendungsfälle für KI wären denkbar?

Dr. Schulz: "Noch am Anfang stehen wir bei Anwendungen, die in unternehmensinternen Abläufen angesiedelt sind."

Dr. Schulz: „Noch am Anfang stehen wir bei Anwendungen, die in unternehmensinternen Abläufen angesiedelt sind.“

Das Anwendungsspektrum ist sehr breit. Naheliegend und auch bereits im Alltag angekommen sind natürlich Anwendungen direkt am Produkt, wie z.B. „intelligente“ Funktionen, die durch das Lernen von Präferenzen individuell auf die Nutzer zugeschnitten werden, oder Funktionen, die ohne KI gar nicht möglich wären, wie z.B. Sprachsteuerung. Noch sehr am Anfang stehen wir aber bei Anwendungen, die in unternehmensinternen Abläufen angesiedelt sind. Das geht von Datenauswertungen und daran geknüpfte automatisierte Entscheidungen, über Bots, die in definiertem Rahmen und in Interaktion mit Entwicklern Aufgaben übernehmen können, bis hin zu generativen Verfahren, die im Rahmen definierter Constraints ganze Bauteile konstruieren. Im Grunde genommen sind alle Anwendungsfälle interessant, die sich durch große Datenmengen und Wiederholung unterschiedlichster Situation „erlernen“ lassen. Man muss sich aber bewusst machen, dass eine trainierte KI hochspezialisiert ist und nicht einfach andere Aufgaben übernehmen kann.

Welche Vorteile haben Entwicklungsabteilungen, die auf KI und schlaue Algorithmen setzen und diese Technologien schon in F&E-Prozesse eingebunden haben?
Der Einsatz von KI im Engineering ist ein intensiver Lernprozess, der nur schwer im Vorfeld komplett durchgeplant werden kann. Vielmehr gilt es in einem längerfristig angelegten Prozess mögliche Anwendungsfälle zu identifizieren, die geeigneten KI-Technologien auszuwählen und zu testen. Auf Basis dieser Erfahrungen werden dann Technologien oder ganze Anwendungsfälle verworfen oder konkretisiert. Der Aufbau der notwendigen KI-Expertise benötigt Zeit, Ausdauer und die Überzeugung, dass sich der Invest langfristig auszahlen wird. Für diejenigen, die diesen Weg konsequent beschreiten, werden sich vor allem zwei Vorteile ergeben: Automatisierungspotenziale in Engineering-Abläufen, die bisher nicht möglich waren, weil ich durch KI auch komplexe Tätigkeiten durch Algorithmen erlernen und übernehmen lassen kann. Zum anderen aber auch eine höhere Entscheidungsqualität, weil Algorithmen weniger subjektiv und aus dem Bauch, sondern rein datengestützt entscheiden. Das ist aber gleichzeitig auch eine Gefahr. Die Algorithmen sind nur so gut, wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden. Wir sehen bereits Beispiele in denen Algorithmen Fehlentscheidungen treffen, weil ihnen die Fähigkeit zur Plausibilisierung durch das Einnehmen anderer Sichtweisen fehlt.

"F&E 4.0 bedeutet vor allem eine Digitalisierung. Dazu ist der konsequente Einastz der neuen digitalen Technologien, sowohl im Produkt als auch bei internen Abläufen notwendig", geben Dr. Wenzel (li.) und Dr. Schulz zu bedenken.

„F&E 4.0 bedeutet vor allem eine Digitalisierung. Dazu ist der konsequente Einastz der neuen digitalen Technologien, sowohl im Produkt als auch bei internen Abläufen notwendig“, geben Dr. Wenzel (li.) und Dr. Schulz zu bedenken.

Was bedeutet für Sie F&E 4.0?
F&E 4.0 bedeutet vor allem eine zukunftsfähige F&E-Aufstellung für die Digitalisierung. Dazu sind insbesondere fünf Elemente zu berücksichtigen. Zum einen der konsequente Einsatz der neuen digitalen Technologien, wie beispielsweise KI, nicht nur im Produkt sondern auch bei internen Abläufen. Dafür ist ein anderes Mindset notwendig, das sich von bisherigen dominanten Logiken und Dogmen löst, um Abläufe und Strukturen neu zu denken. Das Kundenproblem muss in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt werden. Unternehmen sollten in Ökosystemen und Plattformen denken, um das Kundenproblem bestmöglich zu lösen. Die Führungskultur in einem solchen Setting ist eine andere, Entscheidungen müssen schnell und tendenziell nicht mehr oben in der Hierarchie, sondern am Ort des Geschehens getroffen werden. Führungskräfte haben die Aufgabe für ihre Teams die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die organisatorischen Strukturen, das „operating model“ der Organisation muss den Spagat schaffen zwischen flexiblen, agilen Strukturen, die gut mit Veränderungen umgehen können, und Strukturen, die schlank und effizient skalieren und bestehendes sowie bekanntes abwickeln können. Die Beherrschung dieser Dualität, oft auch als Ambidextrie bezeichnet, wird die wirklich erfolgreichen Organisationen des digitalen Zeitalters auszeichnen.

Weitere Informationen unter:
www.3dse.de

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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