Design Thinking: Nutzerbedürfnisse von Anfang an evaluieren ist das Gebot der Stunde für die Software-Entwicklung, denn wer versteht, was sie wirklich benötigen, hat die Nase vorn.
Ob beruflich genutzte Software oder private Smartphone-App: Viele Nutzer haben schon einmal die Erfahrung gemacht, dass eine Anwendunge ihren Zweck nicht so richtig erfüllen kann. Dann bietet sie zwar jede Menge technischen Schnickschnack, sieht todschick aus und lässt sich auch superergonomisch bedienen – die Aufgabe, für die sie eigentlich geschaffen wurde, kann sie aber nicht wirklich erledigen. Sie wurde an den Bedürfnissen der Nutzer vorbeientwickelt.
Dabei steht der Softwarebranche eigentlich ein Konzept zur Verfügung, das solche Fälle verhindern kann: das Design Thinking. Zu dessen wichtigsten Grundprinzipien zählen die „Human Centricity“, also das In-den-Mittelpunkt-Stellen der Anwender, sowie eine experimentelle und iterative Vorgehensweise. Bevor eine Software entwickelt wird, wird in Bedarfsanalysen mit echten Vertretern der avisierten Zielgruppe abgeklärt, welche genauen Bedürfnisse diese Zielgruppe hat. Im Anschluss wird dann schnell ein erster Prototyp erstellt und iterativ weiterentwickelt und optimiert und dabei immer wieder in Feedback-Schleifen von echten Endanwendern getestet.
Einige Aspekte davon sind in der Realität auch bereits durchaus verwirklicht – zumindest in Ansätzen. So gibt es etwa schon seit längerem in der Softwarebranche einen starken Trend zur User Experience, der bei der Entwicklung der Benutzerführung den menschlichen Anwender in den Mittelpunkt stellt. Mit dem User Experience Designer hat die Branche sogar ein eigenes Berufsbild dafür geschaffen. Diese Designer beschäftigen sich etwa damit, wie Buttons positioniert sein müssen, damit der User einer App seinen Finger möglichst nicht von rechts oben nach links unten bewegen muss; oder wie sich bei einer Anwendung die Anzahl der Mausklicks für die Durchführung einer bestimmten Aufgabe von fünf auf zwei reduzieren lässt. Ähnliches gilt für die experimentellen und iterativen Ansätze. Sie finden sich in der Softwarebranche in Form von agilen Entwicklungsmethoden ansatzweise wieder.
Die vielen Dinge, die die Softwarebranche schon richtig macht, hat sie bisher oft noch gar nicht im Kontext des Design Thinking wahrgenommen. Deshalb ist es an der Zeit, dass sie ihr Bewusstsein für dieses Konzept schärft und es in der Folge konsequenter umsetzt.
Was bisher allerdings kaum umgesetzt wird, ist das Evaluieren der Nutzerbedürfnisse ganz am Anfang. In der Softwareentwicklung gehen die Verantwortlichen nach wie vor sehr schnell dazu über, einfach mal etwas zu entwickeln, von dem sie einfach nur glauben, dass die Anwender es gerne hätten – etwa, weil es technologisch spannende und hippe Features und Funktionen bietet. Ein aktuelles Beispiel dafür sind Chatbots. Chatbots sind in, der Wettbewerb hat sie auch, und deshalb bauen wir jetzt einen in unsere Website ein – so oder so ähnlich dürften häufig die Überlegungen der Verantwortlichen oft lauten. Welche Bedürfnisse soll der Chatbot eigentlich erfüllen? Diese Frage wird noch viel zu häufig nicht gestellt.
Der Grund dafür könnte sein: Die vielen Dinge, die die Softwarebranche schon richtig macht, hat sie bisher oft noch gar nicht im Kontext des Design Thinking wahrgenommen. Deshalb ist es an der Zeit, dass sie ihr Bewusstsein für dieses Konzept schärft und es in der Folge konsequenter umsetzt. Dazu zählt allen voran natürlich, die Anwenderbedürfnisse gründlich zu klären. Dabei kann am Ende dann etwas ganz anderes herauskommen als es zunächst den Anschein hat. Ein Beispiel aus der Nicht-Software-Welt verdeutlicht das: Ein Kunde, der in den Baumarkt geht um eine Bohrmaschine zu kaufen, hat nur auf den ersten Blick das Bedürfnis, eine Bohrmaschine zu besitzen. Auf den zweiten Blick hat er das Bedürfnis, ein Loch in die Wand zu bohren. Und bei noch genauerem Hinsehen zeigt sich, dass er eigentlich das Bedürfnis hat, ein Bild aufzuhängen.
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