"Crowd in Railway-Station" (CC BY 2.0) by  mripp 

Digital Frontiers 4.0

Jeder Einzelne kann sein Konsumverhalten überprüfen – sagt Björn Brundert, Principal Technologist CEMEA Office of the CTO, Global Field bei VMWare. Erst kürzlich hat das Unternehmen eine Umfrage durchgeführt, zu den „Grenzen des Vertrauen“.

Herr Brundert, Umweltschutz muss beim Verhalten der Verbraucher anfangen. Ihre aktuelle Studie fand heraus, dass es da durchaus noch Verbesserungspotential gibt. Können Sie uns die Ergebnisse bitte kurz einordnen?
Bei unserer Studie Digital Frontiers 4.0 hat uns die Frage interessiert, wie bewusst den Menschen im Alltag die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt sind. Und, ob sie dazu bereit sind, Dinge zu ändern, wenn sie besser informiert werden. Was wir gesehen haben, ist: Gerade im digitalen Bereich fehlt es in der breiten Bevölkerung noch an Bewusstsein dafür, dass auch das Konsumieren in der digitalen Welt Auswirkungen auf unseren ökologischen Fußabdruck hat. Eine sechsstündigen Netflix-Sitzung zum Beispiel verursacht rund 330 Gramm Co2. Was das bedeutet, können nur Wenige einordnen. So haben 41 Prozent der Befragten angegeben, dass ihnen das egal ist. Hier ist definitiv mehr Aufklärung nötig. Denn der Herbst zeigt jetzt schon, dass die Verbraucher bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. Das betrifft nicht nur das Heizen, sondern auch generell die Reduzierung von Strom und Energie. 

Beinahe täglich erreichen uns aber Nachrichten im Hinblick auf den Klimaschutz und den Klimawandel. Kommunizieren wir vielleicht nicht richtig – reden Regierungen und Organisationen am Kern vorbei?
Die vielen akuten Krisen, mit denen wir kämpfen – Covid19, der Ukraine-Krieg mit dem Gas-Stopp oder die Inflation – rücken das Thema Klimawandel in der Aufmerksamkeit nur marginal nach hinten. Die, die offen für die wissenschaftlichen Fakten sind, wissen, dass die richtig große Krise unserer Zeit der Klimawandel ist. Ironischerweise führen uns aber die im Vergleich zum globalen Klimawandel „kleineren“ Krisen vor Augen, wie wir auch im Kleinen etwas Gutes bewirken können. Jeder Einzelne kann sein Konsumverhalten überprüfen – dazu gehört explizit auch das digitale Konsumverhalten. Genau hier könnten wir sehr effizient mit der Auswertung digitaler Daten ansetzen – was vielen Menschen noch nicht klar ist. Daher müssen wir mehr Bewusstsein dafür schaffen, welchen Einfluss der digitale Traffic rund um die Welt in Bezug auf das Klima hat. Ich habe auf der Clean-IT Konferenz des Hasso Plattner Instituts von einer Idee an der TU Dresden gehört, die ein „Energielabel“ für den App Store des Smartphone diskutiert. Wie würden sich Nutzer entscheiden, wenn z.B. Messenger A ein schlechtes Ergebnis, Messenger B aber ein besonders gutes Ergebnis beim Energielabel anzeigt?
Unsere Studienergebnisse machen jedoch deutlich, dass Regierung und Industrie zuerst bei den Konsumenten für mehr Vertrauen in eine gemeinsame Datennutzung sorgen müssen. Wenn man sich allein Deutschland anschaut, das ja sehr vorsichtig in Bezug auf Datenschutz ist, zeigt sich, dass Unternehmen und Regierungen offen kommunizieren, welche Technologien sie verwenden und wie sie diese nutzen. 
Dazu kommt, dass die meisten Menschen aus den Nachrichten von Cyberattacken, Datenmissbrauch und Datenpannen erfahren, aber kaum über den technologischen Fortschritt berichtet wird, den wir als Gesellschaft beispielsweise in Forschung, Medizin oder im Gesundheitswesen, aber auch in der Logistik oder der öffentlichen Verwaltung bereits erreicht haben. Misstrauen – nicht nur privaten Unternehmen sondern auch öffentlichen Digitalisierungsinitiativen gegenüber – führten beispielsweise dazu, dass die Corona Warn App des RKI „nur“ 46 Millionen Mal heruntergeladen wurde – obwohl wir von über 62 Millionen Smartphone Nutzern in Deutschland ausgehen (Stand August 2022). Hier verpufft viel Potenzial ungenutzt.

Unternehmen sind nah am Verbraucher. Sie haben die Möglichkeit, auf ihn einzuwirken. Inwiefern können Daten helfen, besser und verbrauchernah zu kommunizieren?
Unternehmen besitzen heute viele Daten, deren Potentiale noch nicht ausgeschöpft sind. So können Informationen mit Verbrauchern geteilt werden, die für ihn von Interesse sind und somit sein Kauf- und Entscheidungsverhalten beeinflussen. Seien es Kennzahlen zur Nachhaltigkeit, Details zur Lieferkette und zur Einhaltung sozialer Produktionsbedingungen oder statistische Beweise, warum das eigene Produkt dem Wettbewerb voraus ist. Daten können Fakten darüber schaffen, welchen Impact Produkte oder Organisationen auf die Umwelt haben. Sie geben Verbrauchern damit eine Entscheidungsgrundlage für ihr Konsumverhalten an die Hand.


„Wir erfahren aus den Nachrichten kaum etwas über die „guten Seiten der digitalen Transformation: etwa Fortschritte die wir als Gesellschaft beispielsweise in Forschung, Medizin oder im Gesundheitswesen gemacht haben.“

– Björn Brundert

Können Sie uns ein konkretes Beispiel liefern, wie etwa Umwelt und Unternehmen gleichermaßen profitieren können, wenn Entscheidungen auf Basis von Daten getroffen werden?
Ein Beispiel sind Ressourceneinsparungen beim Thema Lieferkette: Wenn Unternehmen durchweg die Emissionen lückenlos über Daten tracken können, lässt sich daraus Einsparpotenzial ermitteln. Das hilft auch, Kosten zu senken. Um derartige Auswertungen umzusetzen, muss erst die technische Infrastruktur stimmen, und das ist bei vielen Unternehmen noch ein Problem.

Wie können Unternehmen solche Potenziale erkennen?
Als ersten Schritt sollten Organisationen Daten sinnvoll zusammenzuführen und nutzbar machen, indem gewachsene Silos abgebaut werden. Das erfordert in der Regel auch eine Anpassung der Infrastruktur, bei der Multicloud-Strategien ein Schlüssel zum Erfolg sein können: Sie erlauben es Unternehmen flexibel zu skalieren und nicht nur die Einhaltung von Datenschutzgesetzen sicherzustellen und Compliance Anforderungen gerecht zu werden, sondern „Data Sovereignty“ als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Im zweiten Schritt gilt es dann, die Organisation und Mitarbeiter zu befähigen, mit bestehenden sowie neuen Daten Innovationen voranzutreiben – aber auch zu wissen, wann ein Prototyp bzw. ein Produkt keine Zukunft hat und dessen Entwicklung eingestellt werden sollte.  

Inwiefern könnten Unternehmen in den Prozessen untereinander – etwa in der Lieferkette – von mehr und engerer „Datenverzahnung“ profitieren, um z.B. gemeinsam Prozesse besser zu machen?
Inzwischen können Partnerunternehmen mit Hilfe moderner Applikationen über standardisierte Schnittstellen zusammenarbeiten und Daten, die für alle Beteiligten relevant sind, einfach austauschen oder einsehen. So entstehen ganze Ökosysteme, über die beispielsweise die Supply-Chain lückenlos verfolgbar wird. Langfristig kann es auch ein Ziel sein, über die Systeme Ansätze zur Kreislaufwirtschaft zu realisieren, um möglichst ressourcenschonend zu produzieren.


Creative Commons Lizenz CC BY-ND 4.0

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