Die vernetzte Gesellschaft

Im Spannungszustand zwischen Sicherheit und Innovation

Mittlerweile sind wir weltweit schon 4,9 Milliarden Menschen, die das Internet regelmäßig nutzen. Bis zum Jahr 2030 hängen laut aktuellen Prognosen ca. 50 Milliarden IoT-Geräte im Netz. In diesem Kontext steht die Menschheit vor einer Datenexplosion und die weltweite Datenmenge wächst auf über 2 100 Zettabyte bis 2035 an. Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch und dringt immer tiefer in alle Lebensbereiche ein. Sie verändert unsere Gesellschaft nachhaltig und schnell.

Fake News regieren gerade in Kriegszeiten das Netz.

B. Haselbauer

Doch welche Rolle spielt die zunehmende Vernetzung bei den Prozessen und Entwicklungen unserer Demokratie und wie verändern uns die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten?
Sicher ist eins: die Vorteile der digitalen Vernetzung bringen auch diverse Gefahren und schnelle Veränderungen für unsere Gesellschaft mit sich. Das Metaversum lässt grüßen. Ein negatives, aber trotzdem passendes Beispiel ist der aktuelle Informationskrieg rund um den Ukraine-Russland-Konflikt. Die Welt nimmt über das Internet am Krieg teil und so verlagert und verteilt sich der Konflikt über die ganze Welt. Fake News regieren gerade in Kriegszeiten das Netz.

Zahl der Internetnutzer weltweit

Die ca. 4,9 Milliarden Internetnutzer brauchen mehr digitale Bildung, um Vertrauen in neue Technologien zu setzen, damit die Evolution im Netz nicht endet.


In diesem Kontext sprach unsere Redaktion mit Prof. Dr. Martin Emmer vom Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft. Als Gründungsdirektor und Principal Investigator führt er die Forschungsgruppe „Digital Citizenship“. Laut Prof. Emmer ist eine stärkere Kompetenz und Eigenverantwortung von Bürger:innen nötig. „Wenn möglichst viele Menschen wissen, wie man Fake News erkennt, verlässliche Informationen findet und sich ein ausgewogenes Informationsmenü zusammenstellt, wäre schon viel gewonnen. Allerdings ist es nicht fair, die Verantwortung einfach auf uns einzelne Nutzende abzuschieben, während Multimilliarden-Konzerne aus reinen Profitgründen uns weiterhin hemmungslos mit Informationsmüll überschütten.“ Nötig sei es nach dem Vordenker, auch politischen Druck auf die Plattformen auszuüben, damit sie ihre Algorithmen stärker an Gemeinwohlkriterien ausrichten.

Das Experteninterview:
Prof. Dr. Martin Emmer vom Weizenbaum-Institut
https://www.trendreport.de/mediennutzung

In diesem Zusammenhang schafft momentan Meta (Facebook) neue Arbeitsplätze im deutschen Journalismus. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) beschäftigt von April 2022 an ein 15-Leute-Team, das für den Facebook-Konzern deutsche Nachrichten kuratieren soll. Ob das reichen wird und ein Zeichen ist? Laut Prof. Emmer sprechen eine Reihe von Gründen dagegen: So ließen sich die substanziellen Probleme nicht lösen.

„Insbesondere wird das strukturelle Grundproblem von Social-Media-Plattformen wie Facebook nicht angegangen: Diese sind letztlich automatisierte Maschinen, die wie riesige Turbinen alle Arten von Inhalten ansaugen (Bilder, Videos, Likes, Kommentare etc.) und diese auf der anderen Seite, nach undurchsichtigen Sortierungskriterien, mit Hochdruck in die Timelines der Nutzerinnen und Nutzer pressen.

Angesichts der gewaltigen Mengen an Material sind alle Versuche, das auch nur annähernd inhaltlich durch Menschen (oder bislang unzureichend entwickelte KIs) prüfen und sortieren zu lassen, von vorneherein aussichtslos. Die aktuelle Umsetzung als begleitendes Zusatzangebot zeigt ja auch, dass so etwas auch mit diesem Projekt gar nicht erst versucht wird“, konstatiert Emmer.

Wenn Unternehmen und Verbraucher dem Internet und den neuen Technologien nicht mehr vertrauen und die Macht der zwei bis drei Multimediakonzerne nicht begrenzt wird, endet die Evolution im Netz. Gefragt sind also innovative Lösungen für unsere vernetzte Gesellschaft, die das schon teilweise verlorene Vertrauen wiederherstellen. Komplizierte Skripte und Anwendungen sind hier jedoch nicht die richtige Lösung. Die neuen Möglichkeiten und Technologien zum Schutz unserer Daten und zu mehr „Privatheit“, müssen von allen und auf alle Menschen angewendet werden können.

„Wenn möglichst viele Menschen wissen, wie man Fake News erkennt, verlässliche Informationen findet und sich ein ausgewogenes Informationsmenü zusammenstellt, wäre schon viel gewonnen.

Prof. Dr. Emmer

Die EU versucht mit der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) gegenzusteuern und strebt mehr Rechtssicherheit mit neuen Standards und Verordnungen an. Die aktuellen Rahmenbedingungen, die sich zum Beispiel durch die eIDAS-Verordnung ergeben (elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen), geben der Wirtschaft Auftrieb. Denn durch sie lassen sich viele Digital- und Papierprozesse, z.B. durch die digitale Signatur, beschleunigen. Und so halten mit der eIDAS-Verordnung verbindliche und europaweit gültige Regelungen in den Bereichen „elektronische Identifizierung“ und „elek­tronische Vertrauensdienste“ Einzug.

Lesen Sie den ausführlichen Beitrag von Jürgen Vogler:
Ganz einfach verschlüsseln!

„Als Beispiele seien hier Mitzeichnungen in Verwaltungen oder die Unterschriften bei mehreren Vertragspartnern genannt. Schon mit diesen einfachen Beispielen beginnen wir den Weg zum ‚Digitalen Transaktionsmanagement‘ (DTM)“, erklärte uns Jürgen Vogler von procilon in diesem Kontext. „Die Notwendigkeit, digitale Prozesse, insbesondere bei verteilter Arbeit an unterschiedlichen Orten, nicht nur hinsichtlich der ‚klassischen‘ IT-Security abzusichern, sondern zusätzliche Compliance-Elemente nutzen zu können, wird immer stärker. Letztendlich geht es also darum, dass Potential der Digitalisierung durch vertrauenswürdige Transaktionen auszuschöpfen“, be­tont Jürgen Vogler. Sein Unternehmen entwickelt kryptographische Cloud-Dienste und stellt bereits seit einigen Jah­ren eine entsprechende Verschlüsselungs­technologie über die Web-Applikation proTECTr kostenfrei zur Verfügung.

Durch Cyberkriminalität verliert das Internet ständig an Vertrauen. Zum Bei­spiel ist es schwierig geworden, sich vor gezielten Phishing-Attacken und sonstigen Angriffen zu schützen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen ominösen, Ihnen regelmäßig zugesendeten Newsletter abbestellen. Sie freuen sich zwar noch darüber, dass der Anbieter einen Link zur Abbestellung zur Verfügung stellt. Mit dem nächsten Klick könnten jedoch auch Sie und Ihr Rechner ferngesteuert die schlimmsten Taten im Netz begehen. Die meisten Betroffenen merken zudem noch nicht einmal, was passiert, es sei denn, ihre Identität wird gestohlen und viele neue Rechnungen flattern ins Haus. Das Netz verlangt also täglich Weiterbildung und Sensibilisierung von seinen Usern. Wer das Risiko unterschätzt und sich nicht auf den aktuellen Stand bringt, läuft trotz bester Firewalls und Virenschutzprogramme Gefahr, gekapert zu werden.

Lesen Sie den ausführlichen Beitrag von Ingo Schäfer:
Attacken durch die Lieferketten

Unsere vernetzte Gesellschaft und unsere Unternehmen brauchen mehr digitale Bildung, um zusätzliche Innovationen im Kontext der neuen Technologien zu generieren. Innovationen und neue Geschäftsmodelle auf Basis der digitalen Transformation gehen aber auch mit diversen Gefahren für unsere Gesellschaft und Unternehmen einher. Angreifer setzen heute ihre Attacken bei Mitarbeitern von Unternehmen an, um z. B. Lösegelder zu erpressen. Deshalb sollten auch bei Cybersicherheitsstrategien der Unternehmen Mitarbeitende im Fokus stehen.

„Da E-Mails nach wie vor die bevorzugte Angriffsmethode für Cyberkriminelle sind, ist der Aufbau einer Sicherheitskultur von entscheidender Bedeutung. Angesichts einer sich wandelnden Bedrohungslandschaft sowie der Tatsache, dass das Arbeiten von überall aus zum Alltag geworden ist, müssen Unternehmen dafür Sorge tragen, dass ihre Mitarbeitenden sich neue Fähigkeiten in puncto Cybersicherheit aneignen und diese anwenden. Dies gilt sowohl für den Arbeitsplatz im Büro als auch zu Hause“, betont Ingo Schäfer von Proofpoint im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Trend in Richtung hybrider Arbeitsformen hat sich 2021 beschleunigt. 81 Prozent der Unternehmen geben an, dass mehr als die Hälfte ihrer Mitarbeiter:innen wegen der Pandemie ihrer Arbeit im Homeoffice nachgehen (entweder teilweise oder vollständig). Allerdings schulen nur 37 Prozent ihre Mitarbeiter:innen hinsichtlich bewährter Praktiken für das Homeoffice, meldet die jüngste Ausgabe des Proofpoints State of the Phish Report 2022.

Gefragt sind in­novative Lösungen für unsere vernetzte Gesellschaft.

Durch die Vernetzung vieler einzelner Geräte wie Computer und Mobiltelefon eröffnen neuen Technologien wie der Blockchain, die Möglichkeit, unsere tradierten Angewohnheiten zu verändern. Allein die Art und Weise, wie wir heute mit der Blockchain Finanzgeschäfte und Transaktionen erledigen können, machen zwischengeschaltete Instanzen wie zum Beispiel Banken in Zukunft überflüssig. Unsere vernetzte Gesellschaft hätte z.B. auch mit Smart Contracts die Möglichkeit, die Vermögenswerte und Kapitalstrukturen global zu verändern. Dazu merkt Prof. Emmer vom Weizenbaum-Institut an: „Der Glaube, man könne mit einer neuen Technologie auf einen Schlag ganz viele (soziale) Probleme lösen, ist praktisch immer eine Illusion: Konflikte sind menschlich und müssen ausgetragen werden, Gesellschaften brauchen Diskurse über ihre Ziele und die Wege, diese zu verfolgen – eine Technologie, die verspricht, solche Aushandlungsprozesse überflüssig zu machen, ist gefährlich.“

Es wird also eine Herausforderung für unsere vernetzte Gesellschaft sein, durch innovative Technologien mit Regierungen, dem Staat und den Konzernen (von denen manche mittlerweile mit Staaten vergleichbar sind) die Welt etwas besser zu machen. Trotzdem hat der einfach wahre Ansatz der Sharing-Economy für uns alle Vorteile. Sieht man von den Nachteilen durch die neuen privaten Vermietungen via Plattformen wie AirBnB in Metropolen ab, ist „teilen statt besitzen“ en vogue und tätsächlich nachhaltig. Die digitale Transformation und die Vernetzung können uns alle nachhaltiger agieren lassen, wenn wir den dadurch entstehenden Stromverbrauch noch in den Griff bekommen. Es braucht dazu mehr Unternehmen, die diese Werte in ihrem Geschäftsmodell und im Sinne der Digitalisierung täglich leben.

Zum ausführlichen Beitrag von Jan Dzulko:
Benutzen statt besitzen

Zum Beispiel versorgt Jan Dzulko von Everphone Unternehmen mit den neuesten Smartphones und passender Software. „Unser Ansatz ist es, nur die Geräte im Umlauf zu haben, die tatsächlich benötigt werden. Zudem erhöhen wir die Nutzungsdauer der Geräte grundlegend. Wird ein Device zurückgegeben, refurbishen oder reparieren wir es und führen es einem zweiten Nutzungszyklus zu – bei Eignung sogar einem dritten. Beim Refurbishing entstehen nur sehr geringe CO2-Emissionen. Gleichzeitig ermuntern wir die Unternehmen dazu, auch die Privatnutzung der Geräte zuzulassen. Dann brauchen Angestellte kein zweites Handy mehr“, erklärt Jan Dzulko unserer Redaktion.

Um nicht abgehängt zu werden, müssen sich KMU und Mittelstand bewegen und eine digitale Unternehmenskultur an den Tag legen, damit durch die technologischen Möglichkeiten neue Geschäftsmodelle entstehen können. Zudem wird es wichtig, neue Trends, die für die eigene Branche ausschlaggebend sind, früh genug zu erkennen. Die Vernetzung macht es doch möglich! Wer hätte in diesem Zusammenhang gedacht, dass ein tradiertes Medium wie das Radio mit der digitalen Transformation und den damit einhergehenden neuen Kommunikationskanälen gerade eine Renaissance erlebt? Auf der ganzen Welt geht in den Haushalten eine lautstarke Evolution vor sich: Die Leute kommunizieren mit einem Stück digitalisierten Kunststoffs, das in ihren Wohnungen platziert ist. Alles gute Nachrichten für das Medium Radio, denn Amazon Echo und die Google-Home-Geräte bringen wieder Audio in die Wohnzimmer und dahin, wo wir alle leben. Die neuen Technologien im Zusammenhang mit Sprachsteuerung und Spracherkennung machen es möglich.

Lesen Sie den ausführlichen Beitrag von Marianne Bullwinkel
Mit Voice-Technologie die Corporate Brand stärken

Für Marianne Bullwinkel von RMS Radio Marketing Service spielen KI und maschinelles Lernen (ML) eine zentrale Rolle für die Zukunft von Audio, denn sie sind die Basis der Mensch-Maschine-Kommunikation. „Sprachsteuerung ist auch hier eine wesentliche Entwicklung, denn sie ermöglicht es uns, mit immer weniger Aufwand immer komplexere Geräte zu bedienen. Mussten Sie früher noch an einem Computer einen Befehl eintippen, um eine bestimmte Aktion auszulösen, genügt heute ein Zuruf an Ihren Voice-Assistenten. Dabei lernen die intelligenten Lautsprecher, Worte und Befehle immer besser zu verstehen, was die Bedienung für die Nutzer:innen weiter vereinfacht. Daneben liefern KI und ML auch die Basistechnologie für computerbasierte Sprachsynthese bzw. Text-to-Speech“, erklärt Marianne Bullwinkel unserer Redaktion. Die Transformation des Internets und unserer damit verknüpften Gesellschaft ist im vollen Gange.

Die vielen Daten, die wir produzieren, sind die Grundlagen für uns und für Unternehmen, mit den neuen Technologien rund um KI und maschinelles Lernen noch mehr Wissen zu generieren. Algorithmen müssen transparenter und nachvollziehbar sein. Es scheint so, dass unsere Demokratie und Gesetzgebung sowie unser Staat ständig links von Konzernen und neuen Technologien überholt werden.
In diesem Kontext müssen wichtige Aufgaben und Regulierungen zeitnah von unserer Regierung erledigt werden, denn digitales Know-how und Kapital werden in Zukunft noch höhere Gewinne abwerfen.

von Bernhard Haselbauer