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Deutschland 2.0

Gute Mitarbeiter finden und binden ist die Herausforderung. Unternehmen müs­sen die gesamte Klaviatur des Recruitings bespielen. Und auch mit Incen­ti­ves locken, die bislang etwas stiefmüt­ter­lich behandelt wurden. „Lange vernachlässigt, rückt jetzt unter diesen Vorzeichen die Betriebsrente wieder in den Fokus der Unternehmen. Denn so­ziale Fürsorge in Form einer Betriebsrente passt sehr gut zum Mittelstand“, sagt Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Ma­nagement GmbH. Die moderne Be­triebs­rente könne ein sehr wichtiges Instrument sein, um Fachkräfte zu gewinnen.

Die aktuell „historisch guten Beschäftigungszahlen“ hält Suzana Bernhard, Ge­schäftsführerin der Dekra Arbeit GmbH, für trügerisch. „In Zeiten des demografischen Wandels und des längst vorhandenen Fachkräftemangels fällt es Un­ternehmen immer schwerer, sich personell optimal aufzustellen und dem globalen Wettbewerb zu stellen“, sagt sie. Einerseits, weil in vielen Regionen schlichtweg die passenden Bewerber feh­len. „Andererseits, weil wir der Wirtschaft ohne Not – und teilweise aus rein parteipolitischen Motiven heraus – immer mehr Spielraum bei der Arbeitsplatzgestaltung nehmen“, klagt sie.

Personaldienstleistungsunternehmen, die für einen flexiblen Arbeitsmarkt sorgen, stehen mit den von der Bundesregierung geplanten Regulierungsmaßnahmen vor neuen Problemen. Bei einer anonymen Mitarbeiterumfrage der Dekra Arbeit im Frühjahr 2015 bewertete nur jeder fünf­te Zeitarbeitnehmer die geplante Höchst­überlassungsdauer von maximal 18 Mo­naten als sinnvoll. Bernhard: „Klare Grenzen und eine vernünftige Stärkung von Arbeitnehmerrechten sind die eine Seite der Medaille. Zu viel Bürokratie und praxisfremde Pauschalregelungen führen hingegen zu einer Ver­un­siche­rung und einem klaren Wettbe­werbsnachteil der deutschen Wirtschaft.“

Digitaler Christoph Vilanek, Freenet AG

Christoph Vilanek, Freenet: „Die grundsätzliche Gefahr besteht darin, dass die Menschen mit dem schnellen Wandel nicht Schritt halten und Veränderungen schwer adaptieren.“

Gerade im hochflexiblen Geschäft der Logistik könnte zu viel Regu­lierung kontraproduktiv wirken. Zwar profitiert die Branche von neuen intelligenten Informations- und Kommuni­kationssystemen, aber die nutzen nur bedingt, wenn Fachkräfte fehlen. Die Bedeutung der Branche ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: Die Logistik ist in Deutschland mit 2,9 Millionen Beschäftigten der drittgrößte Wirt­schafts­bereich nach der Automobil-Wirtschaft und dem Handel. Hierzulande wurden 2014 rund 235 Milliarden Euro an Logistikumsätzen erwirt­schaftet. Wobei nur knapp die Hälfte der Leistungen, die in Deutschland erbracht werden, in der gemeinhin sichtbaren Bewegung von Gütern besteht. Die andere Hälfte findet in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Industrie- und Handelsunternehmen statt. „Deutsche Unternehmen halten hinsichtlich ihrer Lo­gis­tiktechnologie eine internationale Spit­zenposition“, sagt Prof. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Entsprechend erwar­tet der Verband mehr politische Unterstüt­zung. Wichtigste For­derung: „Die Infrastruktur als Grund­lage des Wohl­stands und der herausragenden Wirtschaftsleistung in Deutschland muss erhalten und zeitgemäß ausgebaut werden. Dabei haben wir sowohl die Verkehrsinfrastruktur im Blick als auch die Kommunikations- und die Energienetze“, sagt Klinkner. Nachhilfe braucht Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt eigentlich nicht. Erst kürzlich beschwor er anlässlich der Leitmesse transport logistic die Bedeutung der Branche als Motor der Weltwirtschaft. Nur „wo die Ströme funktionieren“, könnten die Wohlstandsregionen von morgen sein, sagte er. Eine Verdopplung der Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen, wie sie der BVL fordert, würde zum Beispiel die Ströme hierzulande weiterhin reibungslos fließen lassen. Den Rest erledigt die Branche mit Innovationstreibern. „Es geht heute viel mehr als früher darum, gemeinsam die gesamte Supply-Chain zu durch­leuch­­ten, Ineffizienzen zu identifizieren, Prozes­se zu verschlanken oder überhaupt erst messbar zu machen“, erklärt Bernhard Simon, CEO von Dachser. Stichwort ist auch hier die tiefgreifende Digitalisierung, die die zunehmende Komplexität der Prozesse beherrschbar und neue Services möglich macht. Dach­ser gilt mit seinen IT-Systemen als Vorreiter auf diesem Gebiet: „Aktuell wickeln wir bereits 80 Prozent aller Aufträge elektronisch ab“, berichtet Simon.