Der Krise zum Trotz: Warum Business Process Management Investoren lockt

Im Interview sprechen Philipp Remy, Partner bei Fortino Capital und Oliver Zeller, Gründer und CEO bei Symbio über die Zukunft des Business Process Management und warum der B2B-Software-Markt trotz der aktuellen wirtschaftlichen Situation gut dasteht. 

Herr Zeller, Business Process Management Software hat sich inzwischen fest etabliert. Als Vorreiter in diesem Bereich hat Symbio diese Entwicklung maßgeblich mitgeprägt. Glauben Sie, dass sich durch die aktuelle wirtschaftliche Situation Unternehmen eher mit dem Thema Business Process Management auseinandersetzen (müssen)?
Die wirtschaftliche Situation ist ein Aspekt sein Unternehmen prozessorientierter aufzustellen. In den letzten Jahrzehnten war dies die Motivation für das Prozessmanagement. Wir beobachten hier mittlerweile andere Einflussfaktoren – vielleicht sogar  Mega-Trends – welche das Business Process Management immer notwendiger machen. Die Entwicklungen wie etwa die Konnektivität, die Globalisierung, die neue Wissenskultur und New Work beeinflussen die Kaufentscheidung für ein modernes und digitales Management System.
Im Vordergrund steht, dass Unternehmen in einem Business Digital Twin (Business Datenmodell) ihr Unternehmen zerlegen und strukturieren. So können sie Use Cases wie die Digitale Transformation, Regulatorische Anforderungen, Nachhaltigkeit, Datenschutz, IT-Sicherheit, Wissenslogistik, etc. in einer Unternehmensplattform zusammenbringen. Sprich der gesteuerte und durch den Fachbereich verantwortete Prozess wird immer mehr zum Fundament verschiedenster Geschäftsanforderungen.
Aufbauend auf bestmöglich digitalisierten und automatisierten Prozessen, können sich Unternehmen nur abheben und noch besser im Markt positionieren, wenn sie das volle Potenzial Ihrer Mitarbeiter entfalten. New Work im globalen Kontext erfordert ein mitarbeiterorientiertes Managementsystem, was das Wissen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung stellt und teamübergreifend Übersicht schafft.
Ein BPM- und QM-System, welches jeden einzelnen Mitarbeiter erkennt und in seinem Geschäftsalltag unterstützt, um das volle Potenzial am Digitalen Arbeitsplatz zu realisieren, ist aus unserer Sicht die Zukunft.

Herr Remy, Fortino Capital investiert seit 10 Jahren in B2B-Software und nun auch in Symbio. Warum fokussiert sich Fortino auf B2B SaaS Investitionen? Welche Rolle spielt BPM-Software im gesamten B2B-SaaS Markt?
Der Fokus von Fortino Capital auf B2B SaaS Investitionen wird im Allgemeinen von drei wichtigen Faktoren bestimmt: dem Markt, dem europäischen Tech-Ökosystem und den Kundenbeziehungen.
Erstens, SaaS ist die Richtung, in die sich der Markt entwickelt hat. Wie Marc Andreessen 2011 in seinem berühmten Interview “Why software is eating the world” mit dem Wall Street Journal feststellte, ist in den letzten Jahren eine umfassende “Softwarisierung” unserer Volkswirtschaften zu beobachten, bei der die meisten führenden Unternehmen die Digitalisierung vorantreiben, um Marktführer zu bleiben oder zu werden.
Diese Entwicklung bedeutet auch, dass die Software-Innovationen immer weiter zunehmen werden, was den besten Start-ups und Scale-ups eine exzellente Chance bietet, Ihr Geschäft zu entwickeln und auszubauen.
Zweitens konzentrieren wir uns auf B2B SaaS Investitionen in Europa, weil sie eine exzellente Investitionsrendite im internationalen Vergleich bieten. Das belegt unter anderem eine Studie von McKinsey von 2021: Hier erzielten europäische B2B-Start-ups die zwischen 2020 und 2021 gegründet wurden im Vergleich zu US-amerikanischen B2B-Start-ups durchschnittlich etwa das 2,4-fache des Umsatzes pro investiertem Dollar und das 2-fache gegenüber B2C-Start-ups.
Hinzu kommt der Mythos, Europa hätte nicht genug “lokale” Talente, um eine starke Rolle im High-Tech-Bereich zu spielen. Als europäischer VC und PE- Wachstumsinvestor sind wir anderer Meinung. Seit unserer Gründung im Jahr 2012 haben wir eine Wettbewerbsfähigkeit in Europa festgestellt, die auf einer Mischung aus Industrie- und Ingenieur-Talenten, sowie Daten- und Software-Talenten beruht.
Drittens geht es bei B2B um viel mehr als nur um Technologie. B2B-Geschäfte erfordern eine längere Vorlaufzeit, bessere technische Kenntnisse und nachhaltigere Kundenbeziehungen als B2C. Wir unterstützen Softwareunternehmen, die sich im B2B-Bereich durch Technologie- und Produktinnovationen auszeichnen und zudem in der Lage sind, in kürzerer Zeit ihren Kunden einen konkreten Mehrwert zu bieten, womit sich wiederkehrende Lizenzumsätze realisieren lassen.
Unsere Investition in Symbio ist ein gutes Beispiel. Der globale BPM-Software Markt ist 11 Mrd. Euro groß mit einem voraussichtlichen jährlichen Wachstum von 12% bis 2028. Symbio bewegt sich in einer Nische, die schneller als der Gesamtmarkt wächst: Sie bedient den Trend einer steigenden Nachfrage von Organisationen nach BPM Lösungen, die ihre Prozesse digitalisieren und ihre Mitarbeiter in den täglichen Arbeitsaufgaben unterstützen, was auf die zunehmenden steigenden regulatorischen Anforderungen für Unternehmen in diesem Bereich zurückzuführen ist.

Die Auswirkungen der kontraktiven Geldpolitik der Zentralbanken haben bisher einen limitierten Einfluss auf B2B-SaaS Investitionen im Private Equity Markt. Wir sind Software-Investoren, und 2022 war ein Jahr mit großen Marktturbulenzen, aber letztendlich hat sich das B2B-SaaS-Modell als widerstandsfähig erwiesen und ist nach wie vor das kapitalstärkste Geschäftsmodell seit der Einführung des Internets.

Philipp Remy

Und was erhoffen Sie sich von der Investition in Symbio? 
Symbio ist dabei, sich zunehmend zum Marktstandard für strategisches Prozess- und Qualitätsmanagement zu entwickeln. Das Team hat in den letzten Jahren außergewöhnliche Erfolge verzeichnet, die sich in einem zufriedenen Kundenstamm widerspiegeln. Der Zuwachs an Marktanteilen ist eine logische Folge der hervorragenden Arbeit. Wir sind überzeugt davon, dass Symbio mit der operativen Unterstützung von Fortino sein Wachstum beschleunigen und seine Marktposition sowohl in Europa als auch den USA in den nächsten Jahren konsequent ausbauen wird.

Wie schätzen Sie die aktuelle Marktklage für B2B-SaaS Investitionen generell ein? Gestiegene Zinsen und teures Fremdkapital zeichnen ja erstmal kein rosiges Bild. Glauben Sie, dass sich das Investmentverhalten auf dem Private Equity Markt durch die aktuelle Situation verändern wird.
Die Auswirkungen der kontraktiven Geldpolitik der Zentralbanken haben bisher einen limitierten Einfluss auf B2B-SaaS Investitionen im Private Equity Markt. Wir sind Software-Investoren, und 2022 war ein Jahr mit großen Marktturbulenzen, aber letztendlich hat sich das B2B-SaaS-Modell als widerstandsfähig erwiesen und ist nach wie vor das kapitalstärkste Geschäftsmodell seit der Einführung des Internets.
Der Absturz der US-Tech-Aktien hat eine Kaufgelegenheit für neue Investitionen in Softwareunternehmen geschaffen, da der Markt nun wieder ein moderates Preisniveau erreicht hat. Wir sind mehr denn je davon überzeugt, dass unsere Strategie, in europäische B2B-SaaS-Unternehmen zu investieren, einen Weg zu kontinuierlichen, über dem Markt liegenden Renditen bietet, wenn man das vor uns liegende Wachstumspotenzial berücksichtigt. Die Einbettung zusätzlicher Umsatzströme neben den reinen Software Lizenzeinnahmen, die Ergänzung von KI-Funktionalitäten in einfachen Software Plattformen und schließlich die immer noch sehr niedrige Durchdringungsrate der Cloud in bestimmten Wirtschaftssektoren lassen uns zu dem Schluss kommen, dass die digitale Transformation gerade erst begonnen hat.


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