Der digitale Kunde transformiert das Marketing

Die Vielzahl der Kanäle zur Kundenkommunikation hat zugenommen. Auf welchen der Kunde erreicht werden kann, bestimmt er stärker als jemals zuvor selbst.

Die Digitalisierung verändert alles. Wie wir leben, wie wir arbeiten und nicht zuletzt die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Kund*innen kommunizieren. Nichts hat das Marketing jemals so sehr verändert wie die digitale Transformation unserer Gesellschaft. Durch die Explosion an digitalen Kanälen, Plattformen und Endgeräten hat sich die Customer Journey gravierend verändert – und mit ihr die Komplexität in der Konsumentenansprache. In dieser immer komplexer werdenden Medienlandschaft nicht die Nähe zu den Kund*innen zu verlieren, die eigene Zielgruppe zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu erreichen und darauf aufbauend den richtigen Marketingmix auszuwählen, stellt Unternehmen zunehmend vor Probleme. Welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet, um effektiv mit (potentiellen) Kund*innen zu kommunizieren, zeigt Simon Kramm, Geschäftsführer bei der Mediaagentur Wavemaker.

Marketingstrategie heute: Marketing in einer digitalen Welt

Die ungebremste Bewegung von Klassik zu Digital zeigt sich bereits daran, wo wir im Alltag überall auf Werbung treffen: überwiegend mobil (z.B. auf dem Smartphone oder Tablet), auf Nachrichtenwebsites in Form von Videos oder Bannern, auf Social Media wie Instagram, Facebook oder TikTok in Form von Videos oder bezahlten Partnerschaften mit Influencer*innen, bei der Onlinesuche, in Webshops, aber auch auf Streaming-Plattformen oder digitaler Außenwerbung bspw. in Innenstädten. Laut aktuellem Industriereport von GroupM, dem weltweit größten Mediaagentur-Netzwerk, hat Digitalwerbung 2021 einen Anteil von über 64 Prozent an den Gesamtwerbeausgaben erreicht (TYNY, Global End of Year Forecast December 2021). In Deutschland, dem fünftgrößten Werbemarkt der Welt, hat sich das Volumen für digitale Werbeträger und -mittel zwischen 2006 und 2020 auf rund 10,2 Mrd. Euro nahezu versechsfacht (IAB AdEx 2020). Allein aus diesen Zahlen wird deutlich: Ohne Digital sind Marketingstrategien nicht mehr denkbar. Und das auch, weil sich Funk, Fernsehen und Print ebenso zunehmend digitalisieren, etwa in Form von Streaming-Angeboten. Um sich hier einen Überblick zu Formaten und Funktionen einzelner Maßnahmen zu verschaffen, ergibt es Sinn, digitale Werbung entlang der Consumer Journey zu betrachten. Also entlang eines Kaufentscheidungsprozesses, den Käufer*innen eines Produktes bis zum Kaufabschluss durchlaufen.

Frühzeitig die Markenpräferenz der Konsument*innen lenken

Der Kaufprozess der Konsument*innen beginnt in der Regel zu einem Zeitpunkt, an dem sie meist noch gar kein Bedürfnis haben, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Nehmen wir zum Beispiel das Smartphone. Solange der Mobilfunkvertrag nicht kurz vor Verlängerung steht oder das alte Gerät noch einigermaßen funktioniert, gibt es noch keinen dringenden Informationsbedarf. Dennoch bilden Smartphone-Käufer*innen bereits vor der Notwendigkeit eines Neukaufs eine Präferenz für das nächste Modell, die durch Werbung (Branding) beeinflusst werden kann. In dieser Phase (bei Wavemaker nennen wir sie Priming-Phase) setzen Markenhersteller auf Bewegtbildformate, mitunter eine Kombination von (digitalen) TV-Spots mit PreRolls- und MidRolls (Videos, die auf Webseiten, Social Media oder Video- bzw. Streaming-Plattformen vor oder während des Zugangs zum gewünschten Content platziert sind) oder Story Ads (hochformatige Bewegtbildwerbung bspw. auf Instagram). Aber auch Webradio-Spots oder großflächige Displaywerbung auf reichweitenstarken Webseiten helfen dabei, die Markenpräferenz zu beeinflussen. Viele Marken nutzen zusätzlich bekannte und einflussreiche Influencer*innen, die das Produkt bei ihren Followern pushen, bspw. über TikTok, Instagram oder auch einen eigenen (Video-) Blog. Der Vorteil des Influencer Marketings liegt natürlich auf der Hand: Influencer*innen genießen in der Regel ein gewisses Vertrauen bei ihren Followern, das im besten Fall auf das beworbene Produkt abstrahlt. Die Kommunikation in dieser Phase könnte man im weitesten Sinne auch als Push-Kommunikation bezeichnen.

Sichtbarkeit im Auswahlverfahren erzeugen

Zurück zum Handykauf: Sobald das alte Modell seinen Geist aufgegeben hat (oder es jetzt eben einfach ein neues Gerät sein soll), beginnt die aktive Phase. Nun geht es für die Konsument*innen darum, sich eingehender mit Marken, Modellen, Leistung und Design zu beschäftigen. Das oberste Ziel ist es hier nun, im Auswahlprozess der potenziellen Käufer*innen ganz oben auf die Liste zu kommen. Dafür werden den Interessierten zahlreiche Informationen bereitgestellt, etwa über Suchmaschinenmarketing (SEM). Die klassischen Suchanzeigen (SEA) decken dabei nur einen Teil des Suchvolumens ab, wenn auch nach wie vor einen signifikanten. Über Suchanzeigen können Werbetreibende Kaufinteressierte auf ihre Webseite leiten. Diese Seiten sind im besten Fall Suchmaschinen-optimiert, sodass ein Suchalgorithmus sie auch in den organischen Suchergebnissen (also den nicht bezahlten Suchtreffern) möglichst weit oben listet (SEO). Doch nicht alle Konsument*innen starten ihre Produktrecherche bei einer Suchmaschine. Manche schauen auch nach Herstellervideos auf Videoplattformen oder auf Social Media nach Videos einschlägiger Influencer*innen, die als Kompetenzträger gelten. Immer häufiger werden die Informationen zudem direkt über die Suche bei einem Webshop gefunden. Dabei gehen Suchanfragen zunehmend auch über Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google Assistant ein. Voice Marketing wird für die Konsument*innen-Ansprache entsprechend immer wichtiger.

Der richtige Content macht den Unterschied

Egal, über welchen Kanal: In jedem Fall geht es darum, Interessierten über den eigenen Content überzeugende Informationen an die Hand zu geben. Dieser kann auf Webseiten oder in Apps, Sprachassistenten, in Bewegtbildformaten (mit oder ohne Influencer*innen), Podcasts oder redaktionellen Beiträgen ausgespielt werden. Dabei fokussiert sich Content Marketing mitunter auf weit mehr als nur auf die bloße Vermittlung von Produktinformationen. Mit den richtigen Inhalten laden sich Produkte auch emotional auf, z.B. durch die Positionierung eines Produktes in einem bestimmten Kontext, einem Wert oder einer Emotion. Im besten Fall ist die Produktion so impact-stark, dass sie von Rezipient*innen aktiv geteilt wird – und das ganz kostenlos. Dieses virale Marketing ist allerdings in Reinform selten, meistens wird die Verbreitung durch sogenannte Seeding-Maßnahmen angeschoben (etwa die bezahle Positionierung über Influencer*innen). Auch auf Social Media können Werbeformate genutzt werden, um in der Active Phase mehr Informationen zu vermitteln (bspw. Carousel Ads, die sich durch einen Minikatalog verschiedener Farben eines Modells swipen lassen).

Digitale Targeting-Lösungen unterstützen bei der Zielgruppenansprache

Durch Targeting-Lösungen können Marken schließlich ganz gezielt jene Konsument*innen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bald ein neues Smartphone kaufen werden. Hierfür lassen sich bspw. in der programmatischen Ausspielung von Werbung (also beim automatisierten, datenbasierten Einkauf von Werbeflächen) spezifische Datensegmente nutzen, die von Datenanbietern bereitgestellt werden (z. B. In-Market Segmente, mit denen Nutzer*innen angesprochen werden, die verstärkt kaufrelevante Informationen über Smartphones bei Onlinehändlern gesucht haben). Targeting ist übrigens in allen Stufen des Entscheidungsprozesses möglich und teilweise auch für digitale Out of Home-Flächen verfügbar. Je näher dabei ein Nutzer an einem potenziellen Kauf ist, umso direkter kann die Weiterleitung eines Werbemittels sein, z.B. auf die Produktdetailseite in einem Webshop (bspw. bei Google Shopping Anzeigen oder bei Anzeigen innerhalb eines Webshops). Hierbei spricht man auch von Pull-Kommunikation, oder auch Performance Marketing. Dazu gehören neben SEA bspw. auch Affiliate-Links, die etwa in Texten oder Videos (von Publishern und/oder Influencer*innen) platziert werden können. Diese Links leiten in der Regel auf eine Conversion, also im besten Fall den Kauf eines Produktes. Kommt es dazu, erhält ein Affiliate eine prozentuale Beteiligung.

Nach dem Kauf ist vor dem Kauf

Wenn der Kauf schließlich getätigt ist, können Marken ihre Käufer*innen erneut ansprechen. Dies geschieht bspw. in Form von CRM-Maßnahmen, z.B. Newsletter Marketing oder Discounts für registrierte Webshop-Nutzer*innen. Zusätzlich können bekannte Nutzer*innen programmatisch auch per Retargeting angesprochen werden, damit im besten Fall auch das nächste Smartphone von der eigenen Marke im eigenen Shop (Direct to consumer, D2C) oder bei einem Onlinehändler gekauft wird.