Der digitale Arbeitsplatz als Assistent

Die zunehmende Digitalisierung des Arbeitsplatzes durch Automation, künstliche Intelligenz und Robotik ist unaufhaltsam. Marcus Peters von adesso zeigt den Status quo und wagt einen Blick in die Zukunft.

Der Arbeitsplatz im Wandel – das war schon immer so

Automation hat seit jeher den Arbeitsplatz im Fokus gehabt. Mehr Aufgaben in der gleichen Zeit zu erledigen ist ein bedeutender Erfolgsfaktor der Industrialisierung. Ein weiterer Aspekt hierbei ist die zunehmende Technisierung von Arbeit. In Kombination mit Automatisierung ist es möglich, Aufgaben durch Maschinen erledigen zu lassen, die der Mensch ohne Hilfsmittel nur schwer, mit hohem Risiko oder gar nicht durchführen kann.    

Die so erzielte Steigerung der Produktivität hat allerdings auch Auswirkungen auf uns als Gesellschaft. Wer einmal die Motorhaube eines aktuellen Autos öffnet, kann dies aus erster Hand erfahren. Kenntnisse aus der Mechanik eines Verbrennungsmotors reichen hier schon lange nicht mehr aus. Mechanik und Elektronik verschmolzen zunehmend, sodass der Kfz-Profi heute ohne elektronische Fachkenntnisse im Motorraum kaum mehr etwas reparieren könnte. In der Folge wurden die Berufe Kfz-Mechaniker, Kfz-Elektriker und Automobilmechaniker vor rund 20 Jahren im Kfz-Mechatroniker zusammengefasst.

Derartige Veränderungen von Berufsbildern bzw. das Schaffen von neuen Berufen mit starken Berührungspunkten zur digitalen Welt prägen die Gegenwart. Bleibt man gedanklich bei dem Beispiel „Auto“, so kommt dann noch hinzu, dass eine Reihe von Sensoren im Auto Daten über das Fahrverhalten sammeln, mit denen die Autohersteller den Sprung in die digitale Welt und digitale Geschäftsmodelle wagen (vgl. [1]). Auch ohne die stark automatisierte Produktion selbst zu betrachten, ist die Digitalisierung von Arbeit und Arbeitsplätzen hier klar spürbar.

Die Beispiele oben zeigen: Mit steigender Komplexität der Verflechtung der physikalischen und der digitalen Welt steigen auch die Anforderungen an Arbeitnehmer am Arbeitsplatz kontinuierlich an. Hierdurch steigt allerdings auch die Menge der zu verarbeitenden Informationen für die Mitarbeitenden an. Um diese Flut an Informationen zu beherrschen, ist eine weitere Stufe der Automatisierung nötig. In dieser Stufe werden kognitive Fähigkeiten von Automaten übernommen.

Was kann Künstliche Intelligenz bereits heute?

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Schlüsselfaktor zur weiteren Automatisierung am Arbeitsplatz. Hierdurch ist es möglich, kognitive Fähigkeiten – ähnlich denen des Menschen – in Arbeitsprozessen zu automatisieren. Daraus ergeben sich großartige Möglichkeiten, Arbeit zu skalieren. Ein plakatives Beispiel ist die optische Qualitätskontrolle etwa in der Produktion.

Wenn eine Maschine beispielsweise Schweißarbeiten verrichten kann, ist der Vorgang „Schweißen“ praktisch nur noch durch die Anzahl an Maschinen und die Zeit der Qualitätskontrolle limitiert. Eine automatische optische Qualitätskontrolle, in der eine Software auf der Basis von Bildern aus einer Kamera fehlerhafte Teile erkennen kann, lässt leicht erahnen, dass hier eine immense Produktivitätssteigerung möglich ist.

Heutige Verfahren zur Bilderkennung können verschiedene Objekte wie Personen, Gesichter, Gesten oder Fahrzeuge erkennen. Sogar das Einschätzen des emotionalen Zustandes der erkannten Person ist mit den aktuellen Technologien produktionsreif umsetzbar.

Abbildung 1 Erkennen von Objekten in Bildern

Abbildung 1 Erkennen von Objekten in Bildern

Abbildung 2 Informationsextraktion einer Straßenlandschaft

Darüber hinaus können Anwendungen aus Bildern weitere Informationen gewinnen. Abbildung 1 zeigt beispielhaft das Erkennen von Fahrzeugen mithilfe von KI-Verfahren. Zusätzlich werden mit aktuellen Werkzeugen zur Informationsextraktion aus Bildern Zuordnungen zu Objekt- und Bildszenenklassen entnommen. Für das oben untersuchte Bild wurde vom System mit rund 93-prozentiger Sicherheit erkannt, dass es aus einem fahrenden Auto in Chinatown geschossen wurde (Siehe Abbildung 2).

Auch das Verstehen von Texten und Sprache ist eine grundlegende kognitive Fähigkeit des Menschen. Die Informationsweitergabe mittels Schrift und Sprache ist seit jeher eine wichtige Fähigkeit, um Informationen zu speichern und weiterzuverarbeiten. Die Automation der Verarbeitung von Texten und Sprache über eine Maschine wird großen Einfluss auf die Arbeitswelt haben.

Spätestens mit der Präsenz von Assistenzsystemen wie Siri oder Alexa sind die KI-Fähigkeiten, das gesprochene Wort zu verstehen beziehungsweise Texte vorzulesen, im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen.

Das Erkennen der Textsprache beziehungsweise das Übersetzen von Texten ist inzwischen für nahezu alle in der Geschäftswelt typischen Sprachen möglich. Des Weiteren erkennen Anwendungen Entitäten wie bekannte Orte, Personen oder Unternehmen. Darüber hinaus ermitteln sie Schlüsselsätze eines Textes. Das Einschätzen der Stimmung des Autors runden die Fähigkeiten automatisierten Textverstehens ab.

Derartige Systeme eröffnen in sprach- oder dokumentenzentrierten Prozessen Automatisierungspotenziale, da Unternehmen ohne menschliches Zutun auf die Inhalte von Texten, deren Sprache oder die geschätzte Stimmung des Autors reagieren können. Ein Anwendungsfall ist das Anstoßen von Kundenbindungsmaßnahmen, sobald die Anwendung erkennt, dass sich Kunden in den sozialen Netzwerken negativ über Produkte oder die Marke äußern.

Mit den genannten Fertigkeiten Hören, Sehen und Textverstehen ausgestattet, können KI-basierte Systeme schon heute wichtige Aufgaben übernehmen.

Blick in die Zukunft

Während einige Unternehmen noch die allgegenwärtige Präsenz des Internets in Produktion und Verwaltung mit dem Sammelbegriff Industrie 4.0 verarbeiten, wird die weitere Stufe der Industrialisierung bereits vorgedacht wie Abbildung 3 zeigt. In starkes Merkmal von Industrie 5.0 wird die Zusammenarbeit mit KI-gestützten System sein. Hier arbeiten Mensch und Maschine „Hand in Hand“ und erledigen gemeinsam Aufgaben.

Abbildung 3 Industrie 5.0, Quelle [3]

Abbildung 3 Industrie 5.0, Quelle [3]

Einen Vorgeschmack der Möglichkeiten zeigt eine Demo von Google in der ein KI gestütztes System bei einem Friseur anruft und einen Termin für einen Haarschnitt abstimmt (vgl. [5]). In diesem Beispiel haben die Ingenieure des Unternehmens sogar die für Menschen typischen „äähhhs“ und weitere Füllausdrücke eingebaut. Wer sich die Zeit nimmt, das Beispiel anzuschauen, kann hier sehr schnell weitere mächtige Anwendungsfälle im Unternehmenskontext erkennen. Dreht man das obige Beispiel um und setzt die KI an die Stelle eines Call-Center-Agenten wird der Produktivitätsgewinn riesig.

Ein weiterer Bereich für digitale Assistenten steckt im Metaverse. Aktuell noch in den Kinderschuhen zeigen jedoch die Umbenennung von Facebook in „Meta“ sowie die Investments von Amazon und Microsoft, dass dort einiges zu erwarten ist.

Microsoft hat im November eine Lösung für Remote-Work vorgestellt, die 2022 eingeführt wird: Mesh für Microsoft Teams. Die Funktion kombiniert die Mixed-Reality-Funktionen mit den Produktivitätstools von Microsoft Teams, wo Menschen an virtuellen Meetings teilnehmen, Chats senden, an gemeinsamen Dokumenten zusammenarbeiten und mehr.

Abbildung 4 Meeting im Metaverse, Quelle [6]

Das Beispiel in Abbildung 4 zeigt eine Meeting-Situation eines Gespräches, in der das Gespräch in Echtzeit in die jeweilige Sprache der Teilnehmer übersetzt wird. Hier sind für die Zukunft weitere Entwicklungen für den digitalen Arbeitsplatz zu erwarten, um die typischen Berührungspunkte mit dem Unternehmen für Mitarbeiter in der virtuellen Welt noch haptischer zu gestalten.

Wie weit das gehen kann, zeigt eine aktuelle Meldung der Burger-Kette „McDonald‘s“, die sich jüngst Markennamen für Restaurants im Metaverse und die Lieferung nach Hause gesichert haben [7]. Damit ist ein gemeinsamer Arbeitsplatz von Mitarbeitern und Bots im Metaverse keine allzu große Zukunftsmusik mehr.

Fazit

Was automatisiert werden kann, wird automatisiert werden. Dieser Satz hat weiterhin Gültigkeit. Unternehmen sind gut beraten, technologische Entwicklungen im Auge zu behalten. Die Digitalisierung ist kein Endzustand, sondern ein Weg, auf dem die Unternehmen sich immer wieder neu erfinden müssen, um am Kunden zu bleiben. Auch für die Mitarbeitenden ist Weiterentwicklung wichtig. Nur so gelingt es mit den immer neuen Technologien am Arbeitsplatz Schritt zu halten.

Über den Autor

Marcus Peters ist seit rund 30 Jahren in verschiedenen Rollen in der IT-Branche unterwegs. Bei der adesso SE sorgt er als Senior Business Development Manager dafür, dass Kunden für ihre IT-Strategie passende Lösungen auf der Basis von Microsoft Technologien bekommen. 


Quellennachweise

  • ADAC, 03.02.2022, “Spion im Auto: Diese Daten werden gespeichert”, https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/assistenzsysteme/daten-modernes-auto/
  • Marcus Peters in Gruhn, von Hayn, 2020, „KI verändert die Spielregeln“, Hansa Verlag
  • Industrie 4.0; wikipedia; https://de.wikipedia.org/wiki/Industrie_4.0
  • Industrie 5.0; European Commission, Directorate-General for Research and Innovation, Industry 5.0: human-centric, sustainable and resilient, Publications Office, 2021, https://data.europa.eu/doi/10.2777/073781
  • Google Duplex: A.I. Assistant Calls Local Businesses To Make Appointments; Mai 2018; https://www.youtube.com/watch?v=D5VN56jQMWM
  • Microsoft; Mesh for Microsoft Teams aims to make collaboration in the ‘metaverse’ personal and fun; https://news.microsoft.com/innovation-stories/mesh-for-microsoft-teams/
  • Business Insider; “McDonald’s has filed a trademark for a restaurant in the metaverse that will actually deliver food to your home”; https://www.businessinsider.com/mcdonalds-metaverse-virtual-online-restaurant-trademark-delivers-food-web3-nft-2022-2

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