Creative Companies

Der CDO als Revolutionär und Mediator

Allerdings: Einen allein gültigen Weg, kreativ die digitale Transformation zu bewältigen, gibt es nicht. Schon gar nicht, wenn auf einen Messias in Form des CDOs gewartet wird. Der stünde auf verlorenem Posten, wenn sich das Unternehmen nicht öffnen, Hierarchien einreißen, Entscheidungswege flexibilisieren, kurz: sich die Unternehmenskultur wandeln würde. Der CDO muss die bestehende Ordnung in Frage stellen, Mitarbeiter und Vorstand für seinen Weg begeistern, er muss Revolutionär und Mediator sein. Netzwerke müssen an die Stelle strenger Hierarchien treten. Dann eröffnen sich neue Chancen für kreative Prozesse wie Open Innovation (OI). Unter dem von dem US-amerikanischen Wirtschaftswissen­schaftler Henry Chesbrough geprägten Begriff versteht man, dass der Innovationsprozess von der herkömmlichen geschlossenen Form über die Unternehmensgrenzen hinaus nach außen geöffnet wird. Dabei fließen interne und externe Ideen gleichermaßen in die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ein.

Wie das funktioniert, zeigt der Konzern 3M. Hier gilt: „Kundenprobleme sind der Zündstoff für Innovations-Ideen.“ Kunden werden ganz selbstverständlich in den Prozess der Ideenfindung einbezogen. Sie werden unter anderem im „3M Inspiration Lab“ mit Forschern, Entwicklern und neuen Produkten zusammengebracht, um gemeinsam ungewöhnliche Problemlösungen zu entwickeln. Statt Ingenieure abgeschottet in Labors vor sich hin werkeln zu lassen, öffnet sich der Prozess und folgt dem Ansatz der „Customer Inspired Innovation“. Außerdem können sich wichtige Unternehmen in Workshops inspirieren lassen, was oft zu völlig neuen Ideen führt. Zudem wurden spezielle „Technology Scouts“ ausgebildet, die Kunden bei ihren Besuchen bei 3M begleiten. „Diese Scouts (aus Labor, Marketing, Produktion…) können Technologien und Innovationen nicht nur sehr ‚einfach‘ vermitteln, sie können auch besonders gut zuhören. Denn wir wollen, dass die Kunden bei ihren Besuchen zu Wort kommen. Und verstehen das als ganz wichtigen Input für die Produktentwicklung“, erklärt Stephan Rahn, Manager Corporate Innovation Marketing bei 3M.

Kunden als Problemlöser

Sich zu öffnen, möglichst viele Akteure und damit Impulse von außen in den Kreativprozess miteinzubeziehen ist eine Technik, auf die auch Ludwig Cammaert, Director Design & Technical Development bei Desso, setzt: „Wir als Unternehmen sind fest von Co-Kreationen überzeugt. Der Erfolg unserer Produkte ist nicht nur das Resultat unserer eigenen Kenntnisse, er ist auch sehr der Zusammenarbeit und dem Austausch mit Innenarchitekten, Designern, Kunden und Lieferanten zu verdanken.“ Schon in der Frühphase des Gestaltungsprozesses holt die Firma Feedback zu ihren Ideen ein und veranstaltet dazu unter anderem Sessions. Zunächst müssen Unternehmen jedoch erst einmal gewillt sein, die Kreativität und das Wissen von Menschen außerhalb zu nutzen und sich helfen zu lassen, merkt Dr. Johann Füller, Vorstand der Hyve AG, an: „Das klingt banal, ist es aber nicht. Es setzt nämlich voraus, sich eigene Schwächen einzugestehen und die eigene Rolle als Innovator neu zu interpretieren.“

Dabei sei es sinnvoll, über den Tellerrand hinauszublicken und sich gegenseitig auszutauschen, statt das Rad jedes Mal neu zu erfinden. „Gerade im digitalen Zeitalter ist der kollaborative Innovationsansatz nicht mehr wegzudenken, denn wirklich revolutionäre Lösungen, wie etwa das autonome Fahren, das Den­ken in Ökosystemen, erfordern diesen“, sagt Füller. OI bewirke zudem ein besseres Verständnis vom Markt, man baue Beziehungen zu vielen interessanten Playern auf, die Kunden schätzten die Mitarbeit, wodurch sie Unternehmen als innovativer und kundenorientierter wahrnehmen.

Creative Companies setzen mit OI und Crowdsourcing auf die Kreativität der Masse. Eine interessante Variante dessen ist der Remote-In-Sourcing-Ansatz des Softwareunternehmens Intetics: „Das ist unser gelebtes Geschäftsmodell, auf dessen Basis wir unseren Kunden ermöglichen, global Zugriff auf fundierte Entwicklungskompe­tenz und global verfügbare Talente zu haben“, erklärt Rüdiger Dorawa, CEO der Intetics GmbH. Dabei werden bei der Softwareentwicklung übergreifende Teams aus Intetics-Experten und Mitarbeitern des Kunden gebildet, was neue Ideen fördert. Anbieter wie Unit4 kitzeln durch neuartige ERP- und Projektmanagement-Software die Kreativität: „Open Innovation erleichtern wir im Rahmen von Projektmanagement auch über die Einbindung kollaborativer Software“, sagt Jörg Jung, Geschäftsführer Unit4 Deutschland. Etwa, indem Slack-Channels in der Geschäfts­software integriert sind. Jung: „Slack.com ist ein neuartiges Tool für die Zusammenarbeit innerhalb von Communities. Das funktioniert auch im Innovationsmanagement über mehrere Teams. Slack ist wie ein moderner Informationshub, so dass das nervige Wech­seln innerhalb von verschiedenen Anwendungen wie Mail, Kalender und anderen Apps wegfällt.“

Trendstudie

 

Digitale Transformation im Mittelstand: Umfrage im Auftrag von Auckland Partners. 255 Führungskräfte mittelständischer Unternehmen „across industries“ wurden im November 2015 von YouGov befragt. Zielsetzung war die „Erfassung des Ein­satzstatus von Interim-Managern im deutschen Mittelstand für die ‚Digitale Transformation‘“. Schwer­punk­tthemen: Industrie 4.0, IoT, Big Data, digitale Geschäftsmodelle und Prozesse.
Als Ergebnis können „vier Erfolgsmuster für Unternehmen im digitalen Wandel“ festgehalten werden:
Agilität (schnell agieren / reagieren können), Offenheit (Unternehmenskultur, schnelles Teilen von Informationen und interne Schulungen), Vernetzung (Dialog mit anderen bewusst ausbauen, international vernetzen mit dem Silicon Valley)
Partizipation (Unternehmenshierarchien und altgediente Systeme überwinden).

https://trendreport.de/auckland_partners#studie